
EDGE = OFFLINE
Seit längerer Zeit bemerke ich etwas Verstörendes: Wenn mein iPhone laut Anzeige guten Empfang hat und „E“ für EDGE anzeigt, ist oft die Geschwindigkeit der Datenübertragung nicht etwa langsam – sie ist nicht vorhanden. Null Kilobit pro Sekunde (0 kbit/s). EDGE auf dem iPhone bedeutet in den meisten Fällen: ich bin offline. Also quasi digital gefesselt und geknebelt.
Nochmal rekapituliert: Als 2007 das erste iPhone rauskam, war das ohne Frage die Revolution des mobilen Internet. Allerdings hatte das erste iPhone nur EDGE. Das haben viele bemängelt, aber es ging. Man konnte jetzt nicht unbedingt mit VPN-Tunneln 3D-4K-Filme streamen, okay, aber man war online und konnte durch das Netz pflügen, sogar auf nicht mobil optimierten Seiten. Eigentlich nicht überraschend, denn EDGE sollte zwischen 150 und 220 Kilobit pro Sekunde liefern. Das ist deutlich mehr als Null kbit/s, wie ich von einem befreundeten Mathematiker noch einmal habe algorithmisch verifizieren lassen.
In der Praxis heißt das: laut Anzeige habe ich vollen oder fast vollen Empfang samt EDGE, und meine Netzversuche sehen so aus:
Nach ungefähr einer Minute erklärt der Browser, dass er einfach keinen Server findet unter spiegel.de, wo ich eigentlich im Minutentakt die Likezahlen meiner Kolumne verfolgen wollte. Liegt es am SPON-Server? Nein, kurz zuvor konnte ich auch andere Seiten nicht erreichen. Liegt es an einer kruden Mischung aus Browser-Versagen und Port-Verkrampfung? Eher auch nicht, denn in solchen Fällen gehen oft nicht einmal Messengerdienste, die zudem in der Regel nicht unangenehm durch massiv übertriebenen Datendurchsatz auffallen. Und auch andere Anwendungen können keine Verbindung herstellen (die Facebook-Postings waren noch im Cache, der Ladekreis dreht sich ewig):
Grob und subjektiv überschlagen: mit EDGE habe ich in acht von zehn Fällen gar keine Datenverbindung, in zwei Fällen findet mal eine Benachrichtigung über eine neue Mail den Weg auf den Startscreen, was aber wenig Freude bringt, wenn der darauf folgende Klick ins Nichts führt.
Keinen Screenshot brauche ich für die Feststellung, dass bei mir auch Tethering (das ich sehr oft benutze und irgendwann auch mal kostenpflichtig freischalten lassen musste, glaube ich) bei EDGE-Empfang nicht funktioniert, und zwar nicht bloß oft nicht, sondern: fast nie. Ich habe ein halbprivates Smartphone (iPhone, Telekom) und ein Ergänzungs- und Arbeitsgerät (Android, Vodafone), Offline-EDGE habe ich bei beiden bemerkt. Durch mein persönliches Nutzungsverhalten allerdings ist das Telekom-iPhone ungleich häufiger in Gebrauch, daher auch die Screenshots. Das Phänomen tritt bei mir mindestens seit drei iPhone-Generationen auf, beim iPhone 5, beim 5S und jetzt beim iPhone 6, ich bin aber ziemlich sicher, dass es nichts oder nur wenig mit dem Endgerät zu tun hat.
Meiner Empfindung nach ist das Produkt EDGE zumindest bei den erwähnten Telkos* nicht mehr, was es einmal war. In zornigen Offline-Momenten keimt der Verdacht in mir auf, dass EDGE dramatisch runterpriorisiert wurde bis ins datenfernübertragende Nichts. Ich habe dazu nach der üblichen oberflächlichen Recherche (erste 10 Google-Treffer) keine Mitteilungen gefunden, allerdings kann ich mithilfe meines feinstofflich hochtrainierten Mediensensoriums erahnen, dass Meldungen dieser Art („Tolle News zur CeBIT: Wir machen EDGE schlechter!“) nicht unbedingt lautstark über alle verfügbaren Kanäle rausgepusht würden.
Vor allem aber interessiert mich, ob „EDGE = Offline“ #EDGEoffline auch bei anderen Leuten auftritt. Mit einem simplen Like** bitte ich darum anzuzeigen, ob dieses Problem auch Euch, dem Publikum, schon begegnet ist. Mit ausreichend großem Echo lassen sich Telekom, Vodafone und O2 sicher zu einem Kommentar hinreißen. Meine sphärische Vermutung (bitte beachten: Vermutung≠Verschwörungstheorie, Vermutungen sind falsifizierbar) wäre, dass die großen Telkos etwas ähnliches wie nicht wenige Tech-Firmen tun: ältere Produkte mehr oder weniger absichtlich vernachlässigen, weil dann wie von allein die Motivation für die Kunden steigt, auf neue Produkte umzusteigen.
* im Jahr 2009 habe ich bezahlt für Vodafone gearbeitet, außerdem habe ich immer wieder (zB 2004, 2005, 2008) auch bezahlt für die Telekom gearbeitet
** das sieht jetzt etwas arg like-heischend aus, aber man muss auch mal pragmatisch sein, Like-Zahlen sind immerhin eine Sprache, die in diesem Kontext vermutlich auch die Provider verstehen, da müssen wir jetzt alle durch
tl;dr
Wer schon mal die Erfahrung „EDGE = Offline“ gemacht hat, wird gebeten, das per Like (oder anderweitig) anzuzeigen.
#EDGEoffline #internet #telekom
PS: Wenn jemand Lust hat, eine Anwendung zu programmieren, die crowdgesourcet die Geschwindkeit von Smartphone-Verbindungen messen kann bzw. auch deren Nichtvorhandensein zu protokollieren und zu veröffentlichen – ich würde sie mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln bekannt machen.
[…] Gerade hat Sascha Lobo einen fantastischen Artikel veröffentlicht über etwas was mir schon seit längerem deutlich aufgefallen ist: EDGE bedeutet faktisch OFFLINE sein. Link zum Artikel. […]
[…] guten Empfang hat und ein “E” für EDGE anzeigt, dann kommt meistens dennoch nichts: EDGE = OFFLINE. Okay, GPRS gibt es auch noch, aber das ist meist gefühlt langsam […]
[…] http://saschalobo.com/2015/03/03/4130/ […]
Auch wenns an Grabschändung grenzt hier noch hu Antworten…
Ich habe das Problem hier auf dem Land regelmässig.
iPhone XS und Edge = Ätsch (… brauchst nicht glauben das was geht…)
Aber vor ein paar Tagen hatte ich einen Kollegen mit einem uralt iPhone dabei (glaube 5s) und bei dem wurden trotz E Daten übertragen – wir haben ds probiert… selbe Webseite… Phones nebeneinander liegend… mehrfach…
Ist doch gar kein Grab… :-) Bei mir (Telekom-Vertrag und Shiftphone 6m) kommen mit EDGE auch keine Daten.
Gleiches Problem bei allen Handys und allen Anbietern: Voller Empfang, keine Daten. Das Problem liegt IMHO bei den 2G-Basisstationen, die selber schlecht oder gar nicht ans Internet angebunden sind, oder daran dass Datenverbindungen absichtlich ausgebremst werden um mehr Kapazität für Gesprächsverbindungen zur Verfügung zu haben. Nur gibt das kein Anbieter offen zu! Eine „ehrliche“ Netzabdeckungskarte hätte noch mehr weiße Flecken als die offiziellen eh schon haben.
E heißt „Einsam“ nicht EDGE!
Bei mir das Gleiche, mit iPhone 6 und einem Android Gerät. E = offline
Herr Lobo, machen Sie doch mal den Test: Nach dem Aufbrauchen des Monatsdatenvolumen wird man doch auf 64kbit oder so abgestuft, allerdings ohne Wechsel des Funkstandards. Dann kann man also 64k mit LTE ausprobieren, und vielleicht zeigt sich ja die selbe Misere wie bei EDGE, woraus dann der Schluß entstehen muss, dass Trafficshaper Schuld sind, und nicht (so sehr) die fehlende Funkausleuchtung. Wer heutzutage ein 56k-Modem noch nutzt (DUPs gibt es ja nicht mehr allzuviele), wird feststellen, dass Seiten wie eben spiegel zwar langsam laden, aber die Daten zuckeln gleichmäßig laut Windows-Netzwerkzähler.
Hallo
Ein Artikel, der den Nagel perfekt auf den Kopf trifft.
Ein für mich wertloses Netz
Gruß
Ich habe bereits im Jahr 1998 eine Mobilfunkübertragung entwickelt und funktionierend vorgeführt, die dem späteren „EDGE“ zu 97 % glich, und damit seinerzeit den Wettbewerb „Jugend Forscht“ gewonnen. Daher weiß ich auch bis ins kleinste Detail, wie EDGE funktioniert. Einer der größten Kritikpunkte an meinem Verfahren wie auch an EDGE war, dass die Leistungsfähigkeit von der Intensität der Nutzung abhänge, weshalb ich damals mit meiner Entwicklung keinen Cent verdient hatte und froh war, dass die Einführung von EDGE Jahre später zeigte, dass das nur die halbe Wahrheit war: Die Leistungsfähigkeit von EDGE hängt sehr von der Art und Weise der Implementierung ab. Die ist bei Telekom und Vodafone und o2 teilweise sehr unterschiedlich, und unterscheidet sich auch innerhalb desselben Netzes je nach Ausrüster. Wenn man aber alles richtig macht, wie zum Beispiel in Teilen des Telekom Netzes erfolgt, dann kann EDGE auch heute noch eine sinnvolle Ergänzung für Bereiche sein, wo ansonsten gar keine Versorgung wäre. Und dass man damit ein Smartphone gut versorgen kann, wenn netzseitig funktionierende und gut dimensionierte Technik zur Verfügung steht, hat das iPhone gezeigt.
Ich finde auch den Bezug in dem Artikel zu der UMTS-Lizenzauktion gut! Mein Datenturbo CDSL/ARGON (der Doppelname kommt daher, weil ich gleich ein Verfahren zur Positionsbestimmung ohne Satelliten mit vorgesehen hatte, GPS war damals noch künstlich gestört und sehr ungenau) und EDGE sind zwar technisch weitgehend identisch, der entscheidende Unterschied liegt aber darin, dass mein Verfahren zeitlich vor der UMTS-Lizenzauktion angesiedelt ist, und jedwede Konkurrenz zu UMTS war damals absolut nicht gewünscht, denn da stand ein Milliardengeschäft alleine mit dem Netzaufbau an, wohingegen man für mein System keine neuen Netze gebraucht hätte, da es eine Erweiterung der bestehenden GSM Netze war. 200 kbit/s sind zwar nach heutigen Maßstäben nicht viel, damals war es aber mehr als ausreichend, und üblich waren 9,6 und dann später teilweise 14,4 kbit, im Vergleich dazu waren 200k super! Später, als sich dann zeigte, dass sich mit UMTS aufgrund physikalisch-technischer Gesetzmäßigkeiten trotz astronomischer Investitionen niemals die versprochene Flächenabdeckung erreichen lässt, wie viele Experten und ich auch schon lange zuvor prognostiziert hatten, wurde EDGE dann doch noch als notwendige Ergänzung ausgerollt. Hätte man CDSL aka EDGE schon viel früher eingesetzt, hätte sich damit rasch eine hohe Flächendeckung erzielen lassen, identisch mit der von GSM, und man hätte Unsummen beim UMTS-Netzausbau sparen und die Investitionen auf Orte konzentrieren können, wo die hohe Kapazität trotz geringer Reichweite von UMTS tatsächlich Sinn macht.
#EDGEoffline – kann mich dem nur anschließen, diverse Geräte.
Wieder mal den Finger in die offene Wunde gelegt, vielen Dank!