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Der Mensch ist sein eigener Terminator

Tesla-Gründer Elon Musk hat künstliche Intelligenz als größte Bedrohung unserer Existenz bezeichnet. Doch seine Angst ist unangebracht. Der Fall steht stellvertretend für die Furcht der Sachkundigen.

Der ab und an als „Nachfolger von Steve Jobs“ gehandelte Elon Musk hat Paypal mitgegründet, das private Raumfahrtunternehmen SpaceX und den Elektroautohersteller TeslaEr betreibt mit SolarCity den zweitgrößten Solarenergie-Produzenten der USA. Manchmal visioniert Musk Projekte herbei, die selbst das Silicon Valley mit sanfter Future-Verstörung erfüllen. 2013 stellte er Hyperloop vor, eine Riesenrohrpost, bei der eine Transportkapsel mit knapp 30 Personen durch eine Vakuumröhre geschossen wird – mit 1200 Stundenkilometern.

Kurz, Elon Musk ist der größtvorstellbare Technologieoptimist. In den letzten Wochen aber ist er durch besorgte Kommentare aufgefallen. Ende Oktober sagte Elon Musk in einem Interview: „Ich glaube, wir sollten sehr vorsichtig sein mit der künstlichen Intelligenz. Wenn ich raten sollte, was die größte Bedrohung unserer Existenz darstellt, wäre es künstliche Intelligenz.“ Bumm.

Es war nicht das erste Mal, dass sich Musk kritisch gegenüber dieser Technologieform geäußert hat. Aber auch nicht das letzte Mal, denn Mitte November schrieb Musk in einem inzwischen gelöschten, aber als echt bestätigten Kommentar auf der Debattenseite Edge.org: „Die Geschwindigkeit der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz […] ist unglaublich schnell. […] Innerhalb der nächsten fünf, maximal zehn Jahre könnte etwas ernsthaft Gefährliches passieren.“ Musk befürchtet, dass die Menschheit die Kontrolle verliert über die Technologie.

Es gibt Anzeichen einer gewissen Irrationalität

Man könnte das als Panikmache eines Milliardärs abtun, dem die eigene Fortschrittsgläubigkeit unheimlich wird. Und es gibt bei Musk durchaus, naja, Anzeichen einer gewissen Irrationalität. Beispielsweise investierte er in das Unternehmen DeepMind – und zwar aus Angst. Er fürchte, aus solchen Entwicklungen könnte ein „Terminator“ entstehen. Daher wolle er dicht dranbleiben, um kontrollieren zu können, was herauskommt. Naja. DeepMind wurde inzwischen von Google gekauft. Aber man kann auch versuchen, außerhalb der, Zitat Musk, „Beschwörung des Dämons künstliche Intelligenz“ die Implikationen dieser Technologie zu ergründen.

„Künstliche Intelligenz“ gehört zu den am häufigsten falsch verstandenen und meistmissbrauchten Begriffen der jüngeren Technologiegeschichte. Dahinter steht zum einen die Furcht der nicht Sachkundigen, die zur Dämonisierung führt. Zum anderen auch das Wissenschaftsmarketing, das den Stempel „künstliche Intelligenz“ jedem halbautomatischen Staubsauger-Projekt aufzudrücken versuchte. Forschungsgelder fließen oft in die Richtung von gut vermarktbaren Begriffen.

Aber der Fall Musk ist anders gelagert, denn er steht stellvertretend für die Furcht der Sachkundigen. Etwas passiert gerade, dessen Auswirkungen schwer abschätzbar sind – also noch schwerer als ohnehin. Das allein ist natürlich noch kein Grund, davor Angst zu haben. Aber ein Grund, sich die tatsächlichen Entwicklungen (und nicht das Musksche Geraune) genauer anzusehen.

Eine Bilderkennungssoftware als riesiger Schritt

Soeben wurde von Google und Wissenschaftlern der Universität Stanford eine Software vorgestellt, die Bilder erkennt. Allerdings in quasimenschlichem Sinn, mit einem tiefen Verständnis für den Kontext. Das Software-Projekt unter dem sperrigen Namen„Deep Visual-Semantic Alignments for Generating Image Descriptions“ erzeugt kurze Beschreibungen der Inhalte von Fotos und ist dabei erstaunlich präzise.

Das große Ziel der künstlichen Intelligenz könnte man umgangssprachlich so umschreiben: Informationen in den richtigen Kontext einordnen, um ein Verständnis der Zusammenhänge zu erreichen und automatisiert die passenden Konsequenzen zu ziehen. Die Bilderkennung ist ein riesiger Schritt in diese Richtung.

Denn sie eröffnet ein neues Feld. Ein Stanford-Forscher benutzt im Interview eine treffende Metapher: „Ich glaube, dass die in Bildern und Videos verborgenen Daten die ‚dunkle Materie‘ des Internets sind. Wir beginnen jetzt, da Licht hineinzubringen.“

Die gesamte visuelle Welt als Interface

Wirklich zu erkennen, was in einem Bild oder Film geschieht, ist nicht nur – etwa für selbstfahrende Autos – ein riesiger Markt. Es ist vor allem die Verwandlung der gesamten visuellen Welt in ein Interface. Es ist der nächste Schritt der Verdatung von allem, die Verdatung des sichtbaren Geschehens.

Dem Urvater des Managements Peter Drucker, dessen Lehren der heutige Aufbau von Unternehmen wesentlich zu verdanken ist, wird das Zitat zugeschrieben „What gets measured, gets managed“, also etwa: „Was gemessen wird, wird verwaltet.“ In einer digital hochvernetzten Gesellschaft muss man inzwischen analog dazu sagen: „Was überwacht wird, wird kontrolliert.“

Hier ist der Kristallisationspunkt der Bilderkennung per künstlicher Intelligenz. Um einen Eindruck von ihrer Wirkmacht in der Zukunft zu bekommen, muss man sie vernetzt denken, also verbunden mit anderen Technologien. Etwa mit dem Wachroboter, den ein Unternehmen soeben auf den Markt gebracht hat. Und mit Gesichtserkennungssoftware. Und natürlich: mit Tötungsdrohnen, die auch zunehmend mit algorithmischer Intelligenz gesteuert werden und schon bald selbsttätig entscheiden sollen, wen sie wann angreifen.

Elon Musk bekommt Informationen zu neuen Technologien, in die kaum jemand Einblick hat. Und doch ist seine Furcht vor einem „außer-Kontrolle-Geraten“ der künstlichen Intelligenz unangebracht. Weniger, weil die Technologie nicht auch Furchterregendes gebären kann. Sondern weil die größere Gefahr in der vollkontrollierten, aber skrupellosen Anwendung von Technologie liegt – für radikale Überwachung, unerbittliche Kontrolle und erbarmungslose Tötung. Der Mensch ist sein eigener Terminator.

tl;dr

Elon Musk ängstigen die Technikfolgen künstlicher Intelligenz. Viel schlimmer als die Technikfolgen natürlicher Intelligenz dürften sie nicht sein.

Anmerkung des Autors: Diese Kolumne beschränkt sich anlässlich von Elon Musks Befürchtungen auf die Gefahren der Technologie. Die – durchaus superfamosen – Chancen werden in einer eigenen Kolumne erörtert (vielleicht, demnächst).

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