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Jeder Urheberrechtsaufruf jemals (pro & contra)

Das Internet! Ha!
Und deshalb muss das Urheberrecht dringend modernisiert werden, und zwar in unserem Sinne.

Denn unser Standpunkt zum Urheberrecht ist der einzig richtige. Übrigens sind wir nicht die einzigen, die das so sehen. Wir haben irgendeine passende Studie herausgesucht, die ein bisschen zurechtinterpretiert zweifelsfrei beweist, dass wir richtig liegen und alle anderen daher logischerweise falsch. Es ist recht weit außerhalb unserer Vorstellungskraft, dass man anderer Meinung sein könnte, ohne bösartig, dumm und falsch informiert zu sein.

Was die Diskussion jetzt braucht, ist Vernunft, und le Vernunft, c’est nous.

Das eigentliche Problem ist ja nun so klar, dass man es nicht mehr erklären muss:
Wir sind unzufrieden mit der Gesamtsituation. Und deshalb brauchen wir konkrete Schuldige, alles andere würde nämlich nicht in unser Konzept passen. Nebenbei bemerkt konnten wir uns keinem der bisherigen fünfhundert Aufrufe anschliessen, weil keiner das für uns elementarste Kriterium erfüllte: von uns zu stammen.

Unser höchst ehrenwertes Ziel ist, die Gesellschaft zu verbessern, und wenn wir sagen: die Gesellschaft, dann meinen wir zuallererst uns. Deshalb muss sich etwas verändern. Aber Weltverbesserung ist nicht Rom, deshalb führen nicht alle Wege dorthin, sondern nur ein einziger, nämlich unserer. Das ist kein Zufall: natürlich sind unsere Absichten die allerbesten, sonst hätten wir uns doch andere gesucht! Ausrufezeichen!

Schon klar, dass alle Beteiligten irgendwelche Bedürfnisse haben, aber unsere sind halt die entscheidenden. Das sagt übrigens auch – mit der Kraft der Wissenschaft untermauert; Sie ahnen es längst – die eingangs erwähnte Studie.

Aber nicht nur die Wissenschaft (die uns außerhalb der Studie völlig schnurz ist) gibt uns Recht, auch die Geschichte (die wir nicht kennen) lässt keinen anderen Schluss zu. Wir haben deshalb ein paar historische Situationen willkürlich herausgesucht, die zwar exakt nichts beweisen, aber sich nach Substanz anhören. Und die Presse steht drauf, was übrigens daran liegt, dass sich kaum jemand so richtig mit allen Seiten auseinandersetzen möchte, und historische Holzschnitte dann alles vereinfachen. Diejenigen historischen Vergleiche, die uns nicht in den Kram passen, weil sie das Gegenteil von unseren historischen Vergleichen ergeben würden, lassen wir aber sowas von weg. Und zwar: mit Recht.

Denn natürlich ahnen wir, dass alles nicht so simpel ist, wie wir in diesem Aufruf behaupten. Aber Differenzierung ist nur was für Schwächlinge und Deppen, denn irgendwann wird ja vielleicht konkret verhandelt werden. Dann ist eine undifferenzierte Extremposition ein viel günstigerer Ausgangspunkt. Abgesehen davon sind wir zusätzlich empört, und wir mögen unsere Empörung wie unseren Kaffee: kochend heiß und aufputschend. Daher sind fast so schlimm wie unsere Gegner: diejenigen, die nicht ausreichend platt argumentieren, ihnen gilt unser ewiges Unverständnis.

Keinesfalls wollen wir die Gelegenheit verstreichen lassen, Andersmeinende behauptungsintensiv zu beschimpfen, um zu unserer Selbstvergewisserung möglichst die Fronten zu verhärten. Das tun wir in Form eines notdürftig als Analyse getarnten Weltuntergangsszenarios: unsere kurzsichtigen, egoistischen Gegner zerstören mit ihrem Lobbyismus die wichtigsten Grundlagen der modernen Zivilisation! Nazivergleich!

Wir können und wollen deshalb nicht länger zusehen, wie ein Aufruf nach dem anderen sinnlos verhallt, ohne nicht auch einen sinnlos verhallenden Aufruf zu veröffentlichen. Je größer die Unterstützung für den Aufruf, desto rechter haben wir schließlich, völlig unabhängig vom Inhalt.

Unterzeichnen Sie deshalb hier und zeigen Sie der Welt, dass Sie an simple Lösungen für komplizierte Probleme glauben!

Damit es die von unseren Gegnern misshandelten Kulturschaffenden später einmal besser haben, lassen Sie uns alle gemeinsam kreischen:

Nieder mit der Contentmafia/den Raubkopierern!
(Zutreffendes bitte streichen)

This Post Has 56 Comments

  1. Sehr ambitionierter Schachzug, Sascha: zwei Armeen bringen sich in Stellung, du bewegst dich zwischen die Fronten und erklärst sie beide für zurechnungsunfähig.

    Ich hab da jetzt keinen passenden historischen Vergleich, aber es klingt nach einem dramatischen Ende ;-)

  2. Ich habe jetzt den Artikel nicht ganz gelesen, aber ich bin voll dagegen. Historisch gesehen haben aber auch Aufrufe mit Bildern immer mehr Resonanz erzeugt.

  3. Verdammt, Oliver hat recht, ein Bild fehlt. Bitte denken Sie sich da etwas hin, was für alle Seiten funktioniert, vielleicht eine Fortschrittssonne und im Vordergrund zwei Hände, die sich nicht die Hand schütteln oder so.

  4. Tach Leute.
    Finde auch, das sich was ändern muss. Aber beim Lesen des obigen Textes, geht mir der Hut hoch. Da wird mir in jedem Satz um die Ohren geknallt, das ich blöd, ungebildet und weiß was ich bin. ( Zitat siehe oben: „le Vernunft, c’est nous!“) Das hat mit Diskussion nix´zu tun und bügelt mich als Erstleser total. So wirbt man meiner Meinung nach, nicht fürs Freigeistum. Bin vielleicht nicht elitär genug. Ich denk mal drüber nach. Abo auf Facebock ist over.
    Grüße von jemandem, dem man grad bescheinigt hat, das er von nix ne Ahnung hat. Schade, bin auf der Suche nach freien Meinungen.

  5. Die Kommentarfunktion ist echt nicht der beste Platz, um die Leute unterschreiben zu lassen. Auch deswegen bin ich unzufrieden.

  6. @ Jens.

    Genau, damit ein öffentlicher Aufruf auch möglichst wenig Diskussionen erzeugt. Genau die Intension des Autors. Ich hab mich nach dem Lesen, mal so richtig mit dem Thema beschäftigt. ;-)

  7. Was denn nun, Sascha? War das ein Versuch die Piratenpartei zu trollen oder der Versuch darüber zu schreiben, wie zufrieden Du eigentlich bist mit Deiner Lebenssituation als Content Creator? Ich unterschreibe für beides.

  8. Ist das ein Beispiel für deine These „Intresantz vor Relevanz“? Dann fehlt wirklich ein Foto – ich konnte schon nach 7 Sekunden nur mir Mühe weiterlesen.

  9. Na, und dann? Dann lassen wir das „Urheber“recht halt so, wie es ist – bzw. wir „verschärfen“ es noch anhand aktueller Gesetzesvorlagen bundes-/EU-/weltweit, und dann sind wir alle mit der Gesamtsituation insgesamt zufriedener.
    (In Anerkenntnis angemerkt: Trollen ist sehr, sehr geeignet, sich zwischendurch mal Luft zu machen – gern‘ gelesen, diese Lektion in Sachen Trollerei.)
    Aber: Wer zahlt für die getrollten „Lösungen“, Herr Lobo? Und mal auf den Punkt gefragt: Was ist denn die „Lösung“?
    Und ganz konkret mal trollgefragt: Wer zahlt Ihnen was für Ihr Trollen, Herr Lobo? Wer?

  10. Hallo,

    Das Probelm an der Sache denke Ich, liegt im Moment darin, dass die wenigsten genau wissen um was es da eigentlich geht. Ich muss zugeben, Ich auch nicht. Einerseits weil es mich kaum interessiert, andererseits weil es schwer ist, eine objektive Meinung zu dem Thema zu finden. Es gibt Momentan nur Pro und Kontra. Jeder drückt dir nur einfach einen Zettel in die Hand und sagt du musst dafür / dagegen. Nur warum, sagt dir niemand.

    Das erinnert mich an eine Bürgerabstimmung vor einigen Monaten hier bei uns in Kaiserslautern. Hierbei ging es um eine Shopping Mall in der Innenstadt. Dabei gabs auch 2 große Kampagnen. „Ja“ und „Nein“. Jeder versuchte dabei nur den anderen mies zu machen und die gegnerischen Schwächen anzuprangern. Das Ende von Lied war, dass kaum einer an der Abstimmung teilgenomment hat und das Ding nun doch gebaut wird.

    Bisher wird kam erklärt worum es dabei genau geht. Sicher, Das Urheberrecht ist meiner Meinung nach auch überholt und gehört reformiert. Das Problem dabei ist nur, dass dabei viele um ihre hart erkämpften Pfründe kämpfen, allen voran die GEMA. Wir lebenin einer Kultur des Internets, des Teilens. Wenn früher einer ein Mixtape zusammengebastelt hat oder für n Kumpel ne CD auf Band überspielt hat hatte das keine Sau interessiert. Doch die Zeiten ändern sich und Youtube oder andere Portale sind eben die weiterenticklung dieser Kultur.

    Auch Ich bin dafür dass die Arbeit der Künstler wertgeschätzt wir und wir das auch entsprechend entlohnen sollten, doch kann man dabei nicht Methoden von vor 30 Jahren anwenden.

    Was wünschenswert wäre ist denke Ich ein runder Tisch an dem sich die Parteien einmal zusammensetzen und man nicht über die Köpfe der Leute hinweg etwas beschließt, sondern Ihnen wenigstens die Gelegenheit bietes Ihren tandpunkt sachlich dazulegen.

    In diesem Sinne,

    Philipp

  11. Viel zu lang der Kommentar. Meine Güte. Der Philipp hat ja weitaus mehr zu sagen als der Sascha. Oder liegt das an meiner Bierlaune?

  12. Kann es was damit zu tun haben, daß sich LOBOs Bücher sagen wir mal vorsichtig ausgedrückt „beschissen“ verkaufen?

    LOL!

  13. Ich würde auch so gerne Aufrufe starten (warum, lässt sich nach diesem Artikel leider nur noch schwer argumentieren), was aber bei null Followern, Abbonenten u.ä., also einer sozialnetzwerklichen Isolation, wenig Sinn hätte. Meine einzige Chance wäre, sie im Bundestag verlesen zu lassen. Da müssten ein paar Leute zuhören. Wer weiß, wie man sich da einloggt? Wer mir hilft, der / dem verspreche ich, die Welt zu verbessern, und zwar natürlich genau in ihrer /seinem Sinne.

  14. Okay. „Sinnlos verhallend“ ist hier echt Programm. Aber nach der Hälfte lohnt es sich auch nicht mehr mit dem Lesen aufzuhören. Kurzweilig. Das kennt man doch aus dem Kino. Äh Kinox. Äh.

  15. Kommt mir wie diese Diskussion über Pferdeäpfel vor… „was machen wir denn bloß mit dem ganzen Pferdemist, wenn es immer mehr Kutschen gibt?“ Ja, was?
    Ist irgendwie nicht wirklich hipp, sich über Probleme aufzuregen, die sich in der Zukunft ganz von alleine lösen werden. Egal wie.

  16. In mir ruht das Urheberrecht in Frieden, nämlich so lange, bis jemand einen Texte von mir klaut und damit Millionen verdient. Dann aber geht’s ab, dann will ich mindestens 10 % vom Gewinn abhaben! Am Ende muß sich jeder ohnehin um seinen eigenen Mist kümmern, denn schließlich wächst aus dem ja auch alles. Außerdem ist jetzt Sommerpause, da wird nicht diskutiert!

  17. Nette Satire, im Nachhinein hat man irgendwie das Gefühl es ist egal welche Meinung man zu dem Thema vertritt, es ist eh die Falsche, denn die Darstellung im Text lässt sich schließlich auf jede beliebige Position anwenden.
    Aber wenn man dieses Gefühl bekommt könnte man meinen überhaupt eine Meinung zu vertreten sei auch falsch.
    Also wie soll man bitte reagieren?

  18. Zu gut. Endlich hat mal jemand das Thema Urheberrecht so aufgegriffen, wie es ausgehen wird, nämlich offen. Da die wirtschaftliche Entwicklung in den Kernbereichen der gängigen Diskussion sehr dynamisch ist, kann man kaum absehen, wer mit welcher ‚Problemlösung‘ übervorteilt und wer benachteiligt wird. Man weiß schon gar nicht mehr, wem man was wünschen soll. Keine Meinung dazu zu haben, ist wohl zur Abwechslung mal die vernünftigste Lösung.

  19. Guter Artikel, vor allem weil er das thema kritisch und bißig aufgreift. Für mich war die Mobilisierung gegen Akte so ein warnendes Beispiel, weil hier Menschen demonstriert haben, die von tuten und Blasen keine Ahnung haben. Hauptsache Horror Youtubevideos anschauen und dagegen schreiben. Ein bisschen konstruktiver und INFORMIERTER! wäre manchmal nett. Oder eben ironisch, bißig.

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