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Realitätsverlust in der PR-Branche

Mein Interesse für Sprache und ihre Funktion besteht nicht erst seit meinem neuen Buch Wortschatz. Sondern seitdem ich für mich nachvollziehen konnte, was Philosophen und Linguisten seit Jahrtausenden erkunden: Sprache prägt die Wahrnehmung der Realität, mehr noch: das, was man für die Wirklichkeit hält, ist ein sprachliches Konstrukt. Vereinfacht: die Welt ist echt, aber die Sprache ist nur ausgedacht und durch Geschichte, Kultur, sozialen Status, Ort und soweiter viel, viel stärker gefärbt, als man glaubt (hier scheint mir ein Querverweis auf den Radikalen Konstruktivismus sinnvoll).

Gerade im Zusammenspiel mit den Medien und besonders mit der digitalen Sphäre ist Sprache deshalb ausgesprochen verräterisch. Das Blog neusprech.org beschäftigt sich damit, wie mit Sprache als Instrument versucht wird, die Wahrnehmung der Realität zu beeinflussen. Es ist eben ein Unterschied, ob man „die Märkte reagierten positiv“ sagt oder „die knapp eintausend Milliardenspekulanten, von denen alle so tun, als seien sie „die Märkte“, reagierten positiv“. Sprache lässt sich auch als Symptom betrachten, das viel über die Konstruktion der eigenen Realität verrät.

Heute ist eine Pressemitteilung via dpa verbreitet worden, in der es um eine Umfrage unter PR-Agenturen und Pressesprechern geht, der PR-Monitor. Ich habe nichts gegen PR, im Gegenteil, ich selbst schwimme auf manchmal seltsame Art zwischen Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Hypeerzeugung, was eher kein Geheimnis ist. Ich habe aber sehr wohl etwas gegen die Impertinenz, mit der PR oft – zu oft – betrieben wird: zu glauben, dass die Auftragskommunikation, die man transportiert, irgendetwas anderes sei als eben Auftragskommunikation, und daraus abzuleiten, sie sei wichtig für die gesamte Welt! So wichtig, dass alle Regeln fallen gelassen werden müssen, „auf Ihrer Webseite steht zwar, Sie wollen NIEMALS aus PR-Gründen angerufen werden, aber wir haben hier die Weltpremiere des neuen ZONGO Limone mit WLAN, wenn das keine Ausnahme ist, dann…“

Um es zu präzisieren: mich stört nicht PR an sich, mich stört eine leider sehr verbreitete Haltung dahinter, die Welt interessiere sich höchstens in Ausnahmefällen nicht für die tollen Nachrichten aus dem Hause ZONGO. Es ist umgekehrt. Per Default ist davon auszugehen, dass sich außerhalb des Hauses ZONGO exakt niemand für ZONGO interessiert, auch nicht bei Weltpremieren mit WLAN oder einer neuen cholesterinfreien Variante. Alles andere ist berufsbedingter Realitätsverlust.

Und die erwähnte Umfrage kleidet die Größenordnung des Realitätsverlusts in der PR-Branche endlich in konkrete Zahlen. Dort heisst es nämlich: „Auch klagen PR-Fachleute über „desinteressierte Journalisten“, die ihnen die tägliche PR-Arbeit erschweren (PR-Agenturen: 40 Prozent; Pressestellen 31 Prozent)„.

Voilà. 40 Prozent der (befragten) PR-Agenturen und 31 Prozent der Pressestellen haben keinen Kontakt mehr zur Realität – und biegen sich ihre Wahrnehmung mithilfe der Sprache zurecht, sie konstruieren sprachlich eine Scheinwirklichkeit (allerdings hier vermutlich mit starker Hilfe der umfragenden Instanz). Statt nämlich zuzugeben, dass sie es nicht schaffen, Journalisten (und die Öffentlichkeit) für ihre Themen zu interessieren, klagen sie über „desinteressierte Journalisten“. Das ist Realitätsverdrehung, ja, Realitätsumdrehung der kontraproduktivsten Sorte. Mit dieser Haltung heisst es im nächsten Jahr: „Die doofe, desinteressierte Facebook-Öffentlichkeit hat es mit 34 Ausnahmen (davon 19 Mitarbeiter) nicht geschafft, Fan unserer ZONGO-Seite zu werden. Was für ein Armutszeugnis für Facebook.“

Die PR-Klage über „desinteressierte Journalisten“, das ist, als fordere man vom Staat eine Belohnung dafür, dass man gestern auf der Autobahn nicht zu schnell gefahren ist.

Nachtrag
Einer der Gründe, warum ich das Internet, also die Leute aus dem Internet, doch recht gern mag: Jemand (nicht ich) hat soeben einen Twitter-Account für ZONGO Limone geschaffen, und schon das Icon ist eine Sensation, auf eine ganz eigene Art.

This Post Has 106 Comments

  1. Schön auch folgender Satz aus dem verlinkten Artikel:

    – „Sprechblasen“ und „desinteressierte Journalisten“ nerven Kommunikatoren an ihrem Job am meisten.“ –

    Wer irgendwas kommunizieren will, und dabei genervt ist, wirkt auch so. :)

  2. Das „Produkt“ ohne Emotions-Add-On in den Markt zu drücken ist doch letztlich nichts anderes als Spam für Journalisten, oder?
    „Drücken“ und „gedrückt werden“ ist im Privaten schön, aber hier sollte man vielleicht doch eher die Angel mit Köder auswerfen und dann „ziehen“.

  3. Ach ja, die PR-Agenturen… Aber sind die nicht nur das Symptom? Sind nicht ZONGO und Co. die Ursache? Auftraggeber, die PR nicht verstehen aber unbedingt welche machen wollen und das auch noch am liebsten messbar. Und zu teuer darf es auch nicht sein. Man „pitcht“ also eine Menge Agenturen, stellt fest, dass man sich richtige PR gar nicht leisten kann und holt sich dann die Agentur, die sich auf die niedrigste Pauschale und auf die am billigsten zu realisierende Messbarkeit einlässt: Clippings, Journlasiten-Kontakte, Facebook-Freunde und Twitter-Follower zählen. Das ist PR ohne Wirkung dafür aber mit dem höchsten Nervfaktor.

  4. „Sprache prägt die Wahrnehmung der Realität, mehr noch: das, was man für die Wirklichkeit hält, ist ein sprachliches Konstrukt. Vereinfacht: die Welt ist echt, aber die Sprache ist nur ausgedacht und durch Geschichte, Kultur, sozialen Status, Ort und soweiter viel, viel stärker gefärbt, als man glaubt“

    Meine Ergänzung:

    Ja, unsere Wahrnehmung der Welt hängt viel damit zusammen welche sprachlichen Konstrukte wir zur Verfügung haben. Sprache determiniert in dieser Hinsicht unser Denken. Und sie prägt Kultur. Kultur wiederum prägt Sprache. Sprache ist nach Juri Lotman das 1. modellbildende System, die Kultur modellbildendes System zweiter Ordnung. Religion ist somit zum Beispiel ein sekundär modellbildendes System. Es gibt somit einen zirkulären Evolutionsprozess zwischen Sprache und Kultur. Sprache ist Kultur, Kultur ist Sprache.

  5. Ja, natürlich ist das eine Wechselwirkung, keine Frage, und ich würde (mit Nachdenkvorbehalt) auch mit Deiner Kultur/Sprache-Entsprechung mitziehen. Was aber die realitätskonstruierende Funktion der Sprache, die ich in meiner Notiz streife, gar nicht in Frage stellt. Oder habe ich Dich missverstanden?

  6. ich in selbst in der pr-branche tätig und kann das dargelegte – zu teilen – bestätigen.

    tatsache ist aber auch, dass einige journalisten ohne die hilfe der „pr-huren“ geradezu aufgeschmissen sind. heutzutage zählt, mehr als jemals zuvor, die sensation, die coolness, das must-have. da wird gerne mal was weggelassen, dilettantisch recherchiert oder auch mal das gehirn komplett abgeschaltet. was ich schon alles über goretex-beschichtungen, exklusives softshell-material (ja, ich bin in der outdoor-pr tätig) gelesen habe, das geht auf keine kuhhaut.

    wer bei uns auf dem presseverteiler steht, der hat explizit darum gebeten (es gibt auch einen feed) und kann sich jederzeit gerne wieder aus dem verteiler löschen lassen. versorgt man die schreiberlinge mit einem schön gelayouteten pdf samt hyperlinks zu druckfähigen bildern und weiterem infomaterial, kommt die hälfte ein word-dokument, weil man daraus besser, schneller und ohne harte umbrüche den guttenberg machen kann. auch nach den bildern wird gerne jedes mal wieder gefragt. warum eine mail schreiben, wenn das bild mit 3 klicks gespeichert ist?

    insofern kann ich seriöse, engagierte und kompetente pr-leute verstehen, die – auf gut deutsch – die schnauze voll haben, von leuten, die einerseits auf die pr-branche schimpfen (man ist ja ach so genervt), ohne aber nicht auskommen, und noch dazu der menschheit die wildesten geschichten als tatsachen zu verkaufen, obwohl sie vom tuten und blasen keine ahnung haben.

    herr lobo, ich gebe ihnen recht – aber auch die andere seite ist bisweilen mit der inkompetenz in person konfrontiert und einfach echt genervt. danke für’s „zuhören“.

  7. Sehr gut beobachtet. Bei uns in Österreich wird „Pressearbeit“ und „PR“ (die beiden Begriffe werden fälschlicherweise oft gleichgesetzt) immer noch am liebsten mit e-mail-Attacken durchgeführt. Regt man sich als Journalist dann auf, dass man thematisch und geografisch aber so was von überhaupt nicht in den Verteiler passe, wird einem gesagt: „Werfen Sie das halt in den Trash!“

  8. Wunderbarer Post über die Deutung und Verdrehung der Realität durch Sprache – und ihre verräterische Seite.

    Warum hast Du den zweiten Teil Deines „Die Märkte reagierten positiv“-Beispiels nicht mit entschlüsselt?

    Hier ein Angebot: „Die knapp eintausend Milliardenspekulanten, von denen alle so tun, als seien sie ‚die Märkte‘, hielten es daraufhin für gewinnversprechend, für mehrere Milliarden Geld anderer Leute zusätzliche weitgehend virtuelle Güter zu erwerben, in der Annahme, dass hinreichend viele aus ihrem Kreis das in der nächsten Zeit ebenfalls tun würden, wodurch der geforderte Preis dieser virtuellen Güter steigen würde – was dann auch geschah.“

    Okay, nicht ganz so elegant wie „reagierten positiv.“
    ;-)

    Schönen Tag.

    Nils

  9. Hallo Sascha,

    tja, vielleicht ist es weniger Realitätsverlust als mehr die (unvermeidliche?) Betriebsblindheit, die irgendwann zuschlägt. Wichtig finde ich aber, wenn man es merkt, gegenzusteuern. Und das möglichst früh. Reflektion ist hierbei nicht nur eine Floskel sondern essenziell. Auch für die PR-Experten/Agenturen.

    Als ich Deinen Post eben las, dachte ich mir, dass es gar nicht gut ist, wenn ich die, die ich unter anderem erreichen möchte mit meinen Botschaften, als „desinteressiert“ bezeichne. Letztlich führt dies ja dazu, das der Austausch zwischen PR-Fachleuten und Agenturen einerseits und Journalisten andererseits nicht unbedingt besser wird. Und auch hier: Reflektion dessen was man tut. Denn vielleicht sind die Journalisten eben auch aufgrund der Qualität meiner Botschaft gar nicht an ihr interessiert. Könnte ja sein…

    Meine Arbeit besteht im Grunde auch aus PR bzw. Unternehmenskommunikation mit dem Fokus auf das Social Web. Wobei dies so auch nicht stimmt, da ich versuche, überall wo es mir möglich ist, Synergien zu schaffen. Und da halte ich es für wichtig, als Mensch zu kommunizieren. Habe ich eine Botschaft ob beruflich oder privat (beides verschwimmt ja zusehends) und meine, dies könnte einen Journalisten interessieren, bemühe ich mich darum, neben dem Mehrwert darin auch bei der Ansprache um eine vernünftige Art und Weise, im Grunde nach dem Motto „Was ich nicht will das man mir tut, das füge auch niemand anderem zu“.

    Schließlich muss ich gestehen, das ich vor allem in den letzten beiden Jahren Journalisten kennengelernt habe, die nur so vor Neugierde und Aktivität sprühen. Aber ihnen muss sich erschließen, worin für sie der Mehrwert meiner Botschaft liegt, sonst sind sie in der Tat desinteressiert. Und es gibt viele gute, spannende und interessante Botschaften da draussen in der Welt, was dazu führt, das auch sie ganz schön gut zu tun haben. Aber und das abschließend: Meine Erfahrung ist, das sich die wenigsten Journalisten zu Erfüllungsgehilfen von „Zongo“ machen lassen/wollen.

  10. Du hast Recht. Völlig. Sage ich als jemand, der nicht nur teilweise PR macht. Wir sollten aber eines nicht vergessen: In diesem Fall liegt die absurde Formulierung im grotesken Studiendesign (ich darf das sagen, denn ich habe lange beim Studienauftraggeber gearbeitet und die ersten PR-Trendmonitore noch mitentwickelt). Darum habe ich beispielsweise meine Teilnahme genervt abgebrochen, u.a. aufgrund der Formulierung, die du zu Recht kritisierst.
    Ich lese eher die Unüberlegtheit der PR-Kolleginnen in einer Paarung mit absurden, in der Tat die Realität verlierenden Fragestellungen aus dem Ergebnis. Und auch andere Teile der „Studie“ sind übrigens erschütternd. Was aber nicht so schlimm ist, denn wenn DAS wirklich repräsentativ die Branche widerspiegelt, ist mir um die Zukunft der eigenen Arbeit und Etats nicht bange. :)

  11. 60% der deutschen PR-Agenturen sollen noch Kontakt mit der Realität haben? Das erscheint mir unglaubwürdig.

  12. Liebe Frau oder Herr Hirnschmalz, natürlich haben Sie recht. Ich kenne viele, na gut, einige PR-Agenturen, die professionell und einer einigermaßen sinnvollen Selbsteinschätzung an ihre Arbeit herangehen. Hier schreibe ich von den anderen.
    Und dass es auch bekloppte Journalisten gibt, gehört ja zu den schlechtest gehüteten Geheimnissen der Kommunikationsbranche insgesamt.

  13. Es ist nicht Realitätsverlust, es ist radikaler Konstruktivismus. Auftraggeber der Umfrage ist news aktuell, der Verbreitungsservice für Belangloses der dpa, die wiederum – schöne Volte – den Verlagen gehört. Man könnte also auch sagen, die Verlage erzielen Einnahmen auch dadurch, dass sie ihren Mitarbeitern Spam schicken, die wiederum diesen in die Blätter und Portale heben, worauf hin alle regelmäßig großes Wehklagen über den Qualitätsverlust in den Medien anstimmen.

    Auftragnehmer der Umfrage ist das Unternehmen Faktenkontor, ein Erzeugungsservice für Belangloses, der offensiv damit wirbt, Marktführer zu machen, unter anderem dadurch, dass es mit Hilfe von Studien, Analysen und Untersuchungen die Fakten liefert, die die behauptete Marktführerschaft beweisen und darüber hinaus mit den „wichtigsten Medien Deutschlands“ „aus einer Hand“ kooperiert.

    Wen also wundert es, dass, wenn Erzeugungs- und Verbreitungsservices für Belangloses „aus einer Hand“ kooperieren etwas entsteht, das mit anderen Wirklichkeiten nichts oder nur kaum etwas gemeinsam hat? Das ist kein Realitätsverlust sondern das Wesen des radikalen Konstruktivismus, der die Welt als gestaltbar annimmt. Und genau das gelingt, denn u.a. die PR-Branche bezieht sich auf diese Banalitäten und nutzt sie zur Ko-Orientierung im „Markt.“

  14. Schön, dass Du Dich zu Wort meldest, Wolfgang – ich habe nach dem ersten Durchlesen meines Textes vor der Veröffentlichung auch die Passage „(allerdings hier vermutlich mit starker Hilfe der umfragenden Instanz)“ hinzufügen müssen. Allerdings verraten auch Antworten auf abstruse Fragen einiges über die Haltung. Und diese begegnet mir ärgerlich oft im Alltag, wie der feinstofflich begabte Leser vielleicht in Nuancen zwischen meinen Zeilen herauslesen mag.

  15. Sascha, ich bin geneigt, Dir Recht zu geben, was das Konstruktivismus-Argument angeht – einer der Gründe für meinen Verweis (zur dpa habe ich aber wohl eine deutlich positivere Einstellung als Du). Allerdings, wie ich im Kommentar eben schon schrieb: auch Antworten auf konstruierte und konstruierende Fragen lassen Rückschlüsse auf die Haltung der Befragten zu.

  16. „Die PR-Klage über “desinteressierte Journalisten”, das ist, als fordere man vom Staat eine Belohnung dafür, dass man gestern auf der Autobahn nicht zu schnell gefahren ist.“

    Wohl eher so, als fordere man vom Staat endlich eine Abschaffung dieser blöden Tempo 30-Zonen, die doch das Marketing vom neuesten 500PS-Boliden mit nur 2,50m Breite und 25l/100km total versaut und damit den Untergang der deutschen Autoproduktion samt sämtlicher Zulieferbetriebe einleitet. Außerdem möchte man als kleinen Bonus 100€ für jedes Mal, wo ein Mitarbeiter mit besagter Karre mit 150km/h durch eine Innenstadt gerast ist.

  17. herr lobo, dass wir hier von keinem geheimnis der kommunikationsbranche sprechen ist mir klar. ihnen auch. der otto-normal-konsument aber vielleicht. deshalb wollte ich das an dieser stelle nur erwähnt haben. ich danke für die antwort!

  18. Lieber Herr Lobo!

    ja die Auswirkungen auf die „echte Welt“…

    Ich mag dem Artikel ja zustimmen, aber als Anhänger des Radikalen Konstruktivismus muss ich an dieser Stelle doch darauf bestehen, dass es eine „echte Welt“ gerade NICHT gibt…

    Mit konstruierten Grüßen,
    D.

  19. Liebe PR-Leute,

    Bitte hört auf Dinge für mich zu machen. Wenn ich im Stau stehe und dort lese „Wir bauen für Sie“, dann mag das ja sogar stimmen, aber wenn ich (Mail von heute) von Dell lese „Für Sie ausgewählt: unser Desktop-PC der Woche“, dann könnte ich schreien.
    Jeder, der mir irgendeinen Scheiß andrehen will, will mir erzählen, dass er das nur für mich macht – in Steigerung sogar für mich PERSÖNLICH, wobei der Name per Matrixdrucker auf das Anschreiben gedruckt wird. Komischerweise schreibt keiner „Rechnung für Sie“ – da passt es ja wenigstens, denn die wird – hoffe ich – nicht an alle Kunden geschickt.

    Liebe PR-Leute: Wann immer ich „für Sie“ lese, sinkt meine Aufmerksamkeit und Kaufbereitschaft. Ehrlich!
    Jedesmal erklärt man mir, dass ich irgendeinen Scheiß kaufen soll, weil das „für Sie“ so wichtig ist. Ich wurde nicht ausgewählt, ich wurde nicht ausgesucht, ich wurde belästigt.

    Wann immer ich eine Grinsebacke im Geschäft sehe, die mir weil es im Arbeitsvertrag steht freundlich lächelt erklärt, dass ich im Internet alle Informationen auf der Web-Seite finde, die das gleiche Coorporate-Id-Logo wie der Verkäufer trägt, dann denke ich mit Wohlwollen an den leicht genervten Fachverkäufer zurück, der auf meine Nachfrage die Augen verdreht, weil ich zu blöd bin, die Fachbegriffe auf Anhieb zu verstehen und sie mir dann aber trotzdem mürrisch erklärt.

    Ich will nicht beglückwünscht werden, wenn ich etwas Elektrisches gekauft habe. Wenn ich in der Bäckerei stehe reicht meine Intelligenz auch, um Brötchen zu erwerben. Der Vorgang ist bei elektrischen Geräten nicht nennenswert komplexer, als dass man mir für den erfolgreichen Abschluss eines Geschäftes gratulieren müsste.

    Und liebe Journalisten, wenn ich bei Google News lese „Tablets verkaufen sich besser als erwartet“ gleichzeitig als Alternative „Tabletmarkt bleibt hinter den Erwartungen zurück“ angeboten bekomme, dann lasse ich mir mal alle Artikel anzeigen:
    Wenn Nachrichten so eindeutig sind, dass nichtmals die Journalisten wissen, ob das positiv oder negativ zu werten ist, dann sollen sie doch bitte schreiben, dass sie die Zahlen nicht verstanden haben, aber keine tolle Überschrift ohne Inhalt produzieren.
    Von den 18 Beiträgen berichten 4 Beiträge, dass es besser wird, 4 dass es schlechter wird und der Rest klärt darüber auf, dass Apple die meisten iPads verkauft.

    Beim IFO-Geschäftsklimaindex das Gleiche. Ein Index, der auf dem Bauchgefühl von einigen Angerufenen beruht hat sich um einen Furz geändert und es wird seitenweise Sch… darüber geschrieben, warum er um 0,Nx gefallen ist oder viel stärker geblieben ist, als die Experten und Anal-ysten vorhergesagt haben.
    Warum schreibt keiner die Wahrheit: Nix erwähnenswertes passiert.

    Und nun liebe Journalisten fragt euch, warum im Netz keiner Geld für Nachrichten bezahlt. Die Headline ist nämlich nichts anderes als PR für den Artikel.

  20. Herrjeh, schreiben können Sie ja – und analysieren auch! :)
    Vielleicht gelingt es in Zukunft noch weiteren, die in zum Teil von ihrer Scheinbedeutung in einer social-media-Kapsel geblendet sind, einen solchen Blick von aussen zu werfen.
    Ein sehr guter Reality-check!
    (den ich sogleich auf http://www.faktoide.de verlinkte)

  21. Die Analyse ist interessant, trifft aber meines Erachtens nicht den Kern. Das Problem ist weniger ein sprachliches, als vielmehr eins der Empathie: Was der eine als Desinteresse deutet, ist für den anderen einfach nur Überlastung. Die paar Jungs und Damen, die in den Verlagen noch als Redaktion übrig geblieben sind, haben für den „ZONGO Limone“ einfach keine Zeit mehr. Die Epoche, in der es noch Ressourcen für ausführliche Vier-Augen-Redaktions-Gespräche gab, sind längst vorbei. Dieser Tatsache haben sich PR Menschen zu stellen, wenn sie mit ihren Botschaften noch landen wollen. Das als Desinteresse zu deuten weist für mich vor allem auf ein mangelndes Verständnis für den Dialogpartner hin.

  22. @Sascha Lobo: Ich habe zur dpa auch eine positive Einstellung. Aber die dpa ist mehr als die dpa, will sagen, mehr als der Nachrichtendienst für Journalisten. Die Unternehmung dpa hat sich eine Realität konstruiert, in der sie die Strahlkraft ihrer Marke nutzt, um über die Theke des seriösen Pressedienstes Hoffnung auf Relevanz und Publizität an eitle (oder faule) Unternehmen zu verkaufen. Der Marketing-Mensch in mir spricht da von Markendehnung und bei den Gaga-Studien würde ich – analog zur Bänderdehnung – einen Markenriss diagnostizieren.

  23. Hübsche Analyse, Sascha, aber ich glaube, Du bewertest die Studie über.

    Explizit abgefragt wurden Ärgernisse im Büroalltag, nicht strategische Probleme. Neben den desinteressierten Redakteuren wurden auch Dinge wie die allseits unbeliebte Verteilerpflege, die Neigung der Auftraggeber zu Sprechblasen und Null-Meldungen sowie die nervigen Kollegen genannt.

    Was das Desinteresse der Redaktionen angeht: Gemeint ist IMHO weniger „Oh, die schreiben nichts über das Update 3.19 unserer in Südtirol marktführenden ERP-Lösung“ sondern „Ich habe mit dem Redi auf der Pressekonferenz eine halbe Stunde lang über unser Produkt gesprochen, während er Schnittchen gegessen hat – und hinterher schreibt er einen Fünfzeiler, der drei sachliche Fehler enthält, die bei Lektüre der Pressemeldung vermeidbar gewesen wären.“

    Nehme ich an.

  24. Lieber Herr Lobo,
    als einer der maßgeblichen Konstrukteure des aktuellen PR-Trendmonitors möchte ich nochmal dokumentieren, wie genau die Frage lautete, die wir der Branche gestellt haben:

    Was nervt Sie als PR-Fachkraft am meisten in Ihrem Arbeitsalltag?
    Mehrfachnennungen möglich, maximal drei Nennungen)

    a. Verteilerpflege
    b. Erwartungsdruck der Vorgesetzten
    c. Social Media Hype
    d. Besserwisserische Kollegen
    e. Desinteressierte Redakteure
    f. Kostendruck
    g. Überstunden
    h. „Sprechblasen“ und „heiße Luft“
    i. Kein Gestaltungsspielraum

    Die Gründe, warum ein Pressesprecher oder eine PR-Fachkraft den Eindruck gewonnen hat, ein Journalist sei desinteressiert, können äußerst zahlreich sein. Das bewegt sich sicher irgendwo auf der großen Bandbreite zwischen mangelnder Selbsterkenntnis, langweiliger Themen und überlasteten Redaktionen. Jeder nimmt das anders wahr.

    Wir sollten aber nicht den Fehler machen, der PR-Branche einen Realitätsverlust zu attestieren. Schließlich haben noch mehr Befragte geantwortet, dass sie in ihrem Arbeitsalltag von „Sprechblasen“ und „heißer Luft“ genervt seien. Auch das kann letztlich 1.000 Gründe haben, ist aber in dieser Diskussion eine wichtige Aussage. Bin gespannt auf Ihre Interpretation.

    Schöne Grüße aus Hamburg
    Jens Petersen, news aktuell

  25. Jens, genau das ist doch aber das, was sicher nicht nur ich so schräg fand – die Zusammenstellung der Antwortmöglichkeiten zeigt ja genau sehr fein, was das Problem ist. Und dass die Umfrage von Leuten gemacht ist, die nicht im PR-Geschäft sind (sondern maximal in einem Teilbereich der Pressearbeit, was aber was elementar anderes ist). Und ja, genau als ich diese Frage und eure Antwortvorschläge sah, bin ich ausgestiegen.

  26. @HerrKaliban: Richtig. So in etwa ist die Antwortmöglichkeit gemeint gewesen. Wir werden uns vor der Konzeption der nächsten Umfrage diesen Thread sicher nochmal zu Gemüte führen. Danke an alle für den Input.

  27. Nach Ihrer umfassenden Gratiswerbung (6 Nennungen) samt Verlinkung dürfte sich ZONGO prächtig entwickeln… ;-)

    VG, LeJeck

  28. Wenngleich mir die Formulierung des desinteressierten Journalisten ein wenig zu weit geht, würde ich mir doch ein wenig mehr Neugierde in den Redaktionsstuben wünschen. Mir ist sehr bewusst, dass ich Auftragskommunikator bin. Mir ist ebenfalls bewusst, dass die Amplitude der Begeisterung auf der anderen Seite der Leitung nicht unbedingt gleich stark nach oben ausschlagen muss.

    Dennoch fällt mir auf, dass die Waagschale des Interesses unter Journalisten – nicht nur in Deutschland – eher in Richtung Negativmeldung pendelt. Positive Themen haben es oft schwer, dass man ihnen Beachtung schenkt. Spätestens die zweite Frage lautet nach dem Haken an der Sache. Die dritte konstruiert ein Negativszenario, das zuweilen an das Absurde grenzt.

    In diesem Zusammenhang fällt mir ein TV-Interview bei Olympischen Winterspielen vor einigen Jahren ein. Der deutsche Bob hatte gerade die Goldmedaille gewonnen. Wie lautete die erste Frage nach dem hastig ausgesprochenen Glückwunsch? Wo denn laut Einschätzung des Bobfahrers die Hundertstelsekunden liegen geblieben seien, die man gegenüber dem dritten Lauf verloren hatte…

  29. @Jens Petersen: Die auf Krawall gebürsteten Antwortmöglichkeiten dokumentieren methodische Schwäche und Verzweiflung. Der PR-Trendmonitor ist in erster Linie ein Marketing-Tool von news aktuell, und erst sehr viel später von echtem Erkenntnisinteresse geleitet. Es ist der schnelle Fick an der Ecke, nicht die liebevolle Beziehung. Versucht es einfach mal andersherum. Überlegt Euch, wie sich mit einer regelmäßigen Erhebung – die der Trendmonitor ist – die Beziehungen von news aktuell zu ihren Stakeholdern wertvoll gestalten ließen. Das ist möglich. Es kostet aber mehr: Hirnschmalz, Empathie, Interesse, und vermutlich auch Geld. Eure Entscheidung.

  30. Dass sich PRler über mangelnde Aufmerksamkeit bei Journalisten beklagen, ist mir auch aufgefallen. Ein Gipfel an Arroganz und Selbstüberschätzung. Ich war und bin seit vielen Jahren u. a. in der PR-Branche tätig. Was da leider allzuhäufig an Leerformeln, Übertreibungen, Nabelschau und Worthülsen in PR-Texten geboten wird, lässt mich eher wundern, dass nur 40 % der Journalisten desinteressiert seien.

  31. Ein weiteres lustiges Missverständnis in der PR-Branche: Zu glauben, dass man durch verschickte Verlautbarungsmails in eine krude Art von Dialog mit Journalisten getreten sei.

  32. Vielen Dank, Herr Petersen, dass Sie den Stein des Anstoßes in Ihrem Kommentar zitiert hatten:
    „Was nervt Sie als PR-Fachkraft am meisten in Ihrem Arbeitsalltag?
    Mehrfachnennungen möglich, maximal drei Nennungen)“

    Schön (und methodisch zumindest etwas sauberer) wäre gewesen, um das Ankreuzen der *häufigsten* Ärgernisse zu bitten.
    Es mag ja sein, dass die „heiße Luft“ das größte Ärgernis ist – das sagt aber nichts darüber aus, wie häufig das PR-Experten tatsächlich in ihrem Arbeitsalltag begegnet.
    Ich habe die persönliche Erfahrung, dass es natürlich unter Journalisten immer den einen oder anderen Schaumschläger und Wichtigtuer gibt, der nur das Buffet abfressen will, sich aber für Sachthemen nicht interessiert. Diese Typen ärgern einen, klar. Die machen keinen Spaß, auch klar.
    Aber: Dieser Ärger über Einzelfälle mag zwar nachhaltig sein (daher die vielen Nennungen in der „Studie“), ist aber nicht zwingend repräsentativ.

  33. Der Artikel trifft die Sachlage auf den Punkt. Nach jahrzehntelangem Bombardement mit analogen und digitalen Pressemappen von Agenturen für vornehmlich Lifestyle-Marken habe ich dazu die Erfahrung gemacht: 90 Prozent aller Pressemitteilungen in diesem Bereich sind auf einem unzumutbaren sprachlichen Niveau abgefasst à la „Von der Terrasse aus genießt man einen ungehinderten Blick in die Dämmerung“ (O-Ton). Ein paar Tage nach Aussendung von solchem Schwachsinn nervt dann Tage später der Praktikanten-Anruf, ob man die Post erhalten habe… Warum sollten sich Journalisten und Journalistinnen denn für eine Armada geistloser Blondinen interessieren, die mittlerweile das Gros der Branche ausmachen? Ich meine das übrigens genau so, wie ich es gesagt habe. Die wenigen Ausnahmen hierzulande, die intelligente, interessante Infos über Produkte oder Dienstleistungen formulieren und gestalten können, kann ich an ein paar Fingern abzählen.

  34. Verläuft hier die Wirkrichtung nicht eher umgekehrt? Also von der Wahrnehmung der Wirklichkeit zur Sprache anstatt von dieser zu jener, wie in der Einleitung behauptet?

    Die kritisierten PR-Menschen geben an, von „desinteressierten Redakteuren“ genervt zu sein. Vielleicht nehmen sie tatsächlich so was wie Redakteursdesinteresse wahr (könnten evtl. sogar Beispiele dafür nennen, siehe Herrn Kalibans Beitrag) und artikulieren dies entsprechend.

    Aber nach Deiner Interpretation, Sascha, also gemäß dem Märkte-Beispiel (eine Realität, aber verschiedene Benennungen, die sich auf die Wahrnehmung dieser einen Realität auswirken), müssten die 40% insgeheim so gedacht haben: ‚Ach, ich weiß durchaus, dass ich selber der Depp bin, aber erstens ist Von-mir-selber-Genervtsein nicht als Antwortmöglichkeit vorgesehen, und zweitens ist es doch leichter, die Schuld bei anderen anstatt bei mir zu suchen – denn wir wissen ja: „Sprache prägt die Wahrnehmung der Realität“; nenn ich das Ganze also einfach „desinteressierte Redakteure“ anstatt „eigene Blödheit“, und schon denken alle (auch ich), es liegt tatsächlich an den Redakteuren und nicht an meiner eigenen miesen PR.‘ – Es wird also, wie Du am Märkte-Beispiel zeigst, „mit Sprache als Instrument versucht (…), die Wahrnehmung der Realität zu beeinflussen“.

    Ich schätze, so haben die 40% aber mehrheitlich nicht gedacht. Sondern eher so, wie ich es im zweiten Abschnitt beschrieben habe: mit der Wirkrichtung von der Wahrnehmung zur Sprache, und nicht von der Sprache zur Wahrnehmung.

    Vielleicht habe ich aber auch nur den Übergang zwischen Einleitung und PR-Geschichte nicht verstanden.

  35. Als ich die Meldung heute morgen gelesen habe, hat mich als PR-Schaffenden aus Überzeugung das blanke Entsetzen gepackt. Auch darüber, wir unkritisch sie von einigen Branchendiensten übernommen wurde. PR ist immer eine Gratwanderung zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit, personifiziert durch die Journalisten, und dem Wunsch der Unternehmen, auf sich aufmerksam zu machen. Da wäscht immer eine Hand die andere. PR ist eine Bringschuld und Journalisten müssen durch gute Inhalte überzeugt werden. Schließlich werden die jeden Tag mit Infomationen über ZONGO Limone & Co. zugemüllt. Wer dieses Prinzip nicht versteht, verliert seine Existenzberechtigung. Ich war wütend, als ich das gelesen hab und wusste nicht, was ich dazu sagen soll. Wenigstens hier spricht die Stimme der Vernunft…

  36. Lieber Jens Petersen, wie ich oben schon im Artikel schreibe, scheint mir das Ergebnis 40% durch die Fragestellung mindestens begünstigt. Das ändert aber wenig an der Haltung, die dahintersteht.

    Und obwohl mein eigenes Erleben natürlich keinen Beweis für irgendetwas darstellt, fällt es mir sehr schwer, in diesen 40% nicht auch eine Bestätigung zu sehen: für das, was ich jeden Tag im Umgang mit einigen PR-Leuten erlebe. Und was sich in einem ärgerlich großen Querschnitt der von Fachleuten vorgetragenen PR-Maßnahmen im Netz widerspiegelt.

  37. Ich fordere Leistungsschutz für PR-Meldungen.

    Das müsste man aber so ausgestalten, dass nicht nur die tatsächlich zitierten PR-Meldungen dem Leistungsschutz unterliegen, sondern jedwede PR-Aussendung. Wo kämen wir schließlich hin, wenn es von der zufälligen Aufmerksamkeit fauler und desinteressierter Journalisten abhinge, ob die Nachricht die ihr gebührende Verbreitung erfährt?

    Finanzieren kann man das aus einer Umlage, die aus dem zukünftigen Leistungsschutzgeld abgezweigt wird, das den Qualitätsmedien zusteht. Es sollte bemessen werden nach Kennzahlen wie Wortanzahl, Zahl der Adressaten, Versandmedium (Fax wertvoller als E-Mail etc.).

  38. @SaschaStoltenow: Lieber Herr Stoltenow, herzlichen Dank für Ihre fantasievolle und zackige Beschreibung unserer Beziehung zur PR-Branche. Wir sind übrigens weder besonders verzweifelt noch sind unsere Kassen bedrohlich leer. Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag: Wie wär’s, ich schicke Ihnen im nächsten Jahr unseren Fragebogenentwurf zu und wir tauschen uns dann im Hinblick auf „Hirnschmalz, Empathie und Interesse“ darüber aus? Würde mich freuen.
    Beste Grüße aus Hamburg

  39. Mannomann.

    Früher dachte ich immer, der Lobo ist ne Laberbacke, einer von denen, die nix Vernünftiges gelernt haben. Nimmt ehrbaren Verkäufern und angelernten Marketingexperten die harterkämpften Jobs weg und macht sie darüberhinaus noch zu prekarisierten Freelancern. Die Frisur fand ich auch schon immer Scheiße. Jetzt schreibt er mal was über die wahren Übel unseres Planeten, dass so ein paar Geldhansel die gesamte Welt schwindlig spielen, und da kommt in den Kommentaren nur so metaphysische Intellektualdiarrhoe. Boah, nee.

    Sascha, ich habe Dich zu unrecht in diese Ecke gestellt. Es liegt am Publikum.

    Was macht eigentlich Holm Friebe?
    Zongo Limone ist ein geiles Zeug, ich bin schon lull und lall.

  40. Mich hätte ja als Hobby-Empiriker hätte mal die Fragestellung zu den Stressoren interessiert. Denn wie man sich durch desinteressierte Journalisten stressen lassen soll, ist mir ein kleines Rätsel. Das Telefon schweigt, keiner fragt nach, kein Interview-Wunsch, nix Reportage, wo ist da der Stress? Ziemlich stressig sind dagegen unsinnige Themenvorgaben, überbordene Publikationswünsche, Arbeitsverdichtung. Ach ja, und natürlich Journalisten, die sich interessieren.

  41. Lukas Böhnlein hat neulich dasselbe Desinteresse am Mitdenken von Journalisten dokumentiert.

    Vieles sind nur unmotiviert copy-pastete Agenturmeldungen. Wieso werden die nicht einfach 1:1 weitergegeben wie es die Lokalzeitungen machen und das weiss und sieht der Leser klar. Eigenanteil muss man (wie in Diplomarbeiten) separat kenntlich machen.

    PR-Leute sollen die leckersten Berichte liefern aber das die Presse ihre Kontrollfunktion für absoluten Fleiß aller Politiker und Manager mal bitte erfüllt, darauf warten wir schon lange. In Kommentaren wird das immer wieder deutlich wie viele inzwischen genau wissen, wie desinformiert alles ist. Hoffentlich bereinigt sich der Markt durch EReader und Newsstand.
    Mit arbeitslosen Reportern habe ich kein Bedauern. Die haben uns die Schuldenkrise, Armutsrentner, Miswirtschaft usw. doch durch Jubel-Presse und systematischen Wegschauens eingebrockt. Ein guter Reporter würde jede DAX-Firma nachfragen und auflisten, wie lange sie bei halber Auftragsmenge durch die nächste Rezession kommt. Dann muss man nie wieder irgendeine Branche durchfüttern sondern kann die ausländischen Firmen in der Krise billig kaufen so wie es z.B. Fiat vorgemacht hat. Denn dann müssten die Firmen mal für schlechte Zeiten sparen wie es jedes Tier im Wald tut.

    Die Kritik an den PR-Leuten ist insofern korrekt, weil der Wurm dem Fisch schmecken muss.

    Und noch einer: Irgendwo in einem Forum zitierte jemand seinen Professor mit „Die Kurse machen die News“. D.h. wenn der Dax runtergeht, werden nur die Negativen Meldungen überhöht berichtet und positive Aspekte nur ganz kurz. Wie der schlaue Reporter weiss, funktionieren die (intransparenten also un-kapitalistischen) Märkte anders. Auch hier findet also eine vereinfachende Verdrehung statt. Einer von zwanzig Kommentatoren gibt dann z.B. zu, das die Amerikaner ihre Steuerbescheide bekommen und daher Geld flüssig machen müssen. Oder was halt diesmal der vermutlich wahrere Grund für die Verkäufe ist.
    Die Nachplapperei und Nicht-Mitdenkerei in vielen News ist nicht mehr hinnehmbar. Miswirtschaft kostet die Zukunft aller. Denn die Armutsmassen („die 99%“ die z.b. studiert haben und Taxi fahren) muss jeder andere (die „1%“) mit durchfüttern.

  42. Ein gesunder Trend: Je weniger die Journalisten den Reklamefuzzis zuhören oder gar deren Lügen zu verbreiten helfen, desto besser. Leider passiert’s noch viel zu wenig.

  43. Das Grunddilemma der Branche ist im Ausgangstext ja sehr gut beschrieben: es handelt sich um Auftragskommunikation. Dabei kann ich Titel vorschlagen, aber realistischerweise hat derjenige, der die Musik bezahlt, auch die Wahl. Als PR-Schaffender möchte man natürlich gern mit einer tollen Story offene Türen einrennen, nur ist das meist leider nicht der Fall. Wenn ZONGO mich für Limone WLAN bezahlt, muss ich aber dpa und den Spiegel damit in Ruhe lassen, weil – und das ist die Crux – falsch adressierte PR schlechte PR ist. Punktum. Hinzu kommt, dass die Verantwortlichen in den Firmen häufig überfordert sind, keinen Rückhalt in der Organisation und bisweilen leider auch keine Ahnung haben. Das führt speziell in der ITK-Branche dann dazu, dass vierseitige Pressemeldungen des amerikanischen Mutterkonzerns übersetzt werden müssen, die sprachlich gar nicht so geglättet werden können, dass sie keine Ekzeme beim Leser auslösen. Was tun? Pressemeldungen an info@-Adressen und die zahlreichen kostenlosen PR-Müllabladeplätze im Web entsorgen und den Kontakt zu Journalisten wieder individualisieren. Einen anderen Weg sehe ich nicht…

  44. Hai Sascha,

    diese Umfrage und Deine Darstellung hier im Blog ist die Steilvorlage schlechthin, so dass ich mich als Herausgeber der Online-Reisezeitung FineArtReisen gar nicht eines Kommentars entziehen kann.

    Ich muss zugeben, dass ich nicht wirklich alle Kommentare bis ins letzte Komma studiert habe. Betrachten tue ich die PR-Problematik auch absolut durch die Brille des Herausgebers einer Online-Reisezeitung.

    Wir haben bei FineArtReisen durchaus das Interesse Presseinformation zu verwenden und mit entsprechender Quellenkennzeichnung zu publizieren. Nur muss ich leider mitteilen, dass von den mehreren hundert Pressinformations-eMails die täglich bei uns eingehen vielleicht 10% mit etwas wohlwollen als Information zu betrachten sind. Der Rest bzw. die absolute Mehrheit sind Angebote. Sorry, FineArtReisen ist nicht das Schaufenster eines Reisebüros, welches mit (Sonder)Angeboten die Laufkundschaft ködern (muss).

    Ich habe mir mal ein paar Tage die Mühe gemacht und die Versender angemailt bzw. versucht telefonisch zu erreichen.

    Ergebnis:
    – Anfragen per eMail werden grundsätzlich nicht beantwortet
    – Antworten am Telefon: „Das sind sehr wichtige und nützliche Informationen für Ihre Leser und auf gar keinen Fall handelt es sich dabei um Werbung“

    Natürlich sucht der deutsche Reisende nach Schnäppchen im Internet. Aber der deutsche Reisende sucht neben dem Schnäppchen auch den Grund warum er nun ausgerechnet das Angebot mit viel Rabatt und trotzdem noch einen stolzen Preis im letzten Winkel von Irgendwo wahrnehmen soll und dort die zwei wichtigsten Wochen des Jahres – nämlich seinen Urlaub – zu verbringen. Zusätzlich darf man hier noch die Frage stellen: Für wie einfältig hält die Reise-PR den Reisenden? Kennt die Reise-PR nicht die Studien, dass der deutsche Reisende – er ist ja nur Reiseweltmeister – bei der Recherche seines Reiseziels bis zu 100 verschiedenen Webseiten besucht?

    Zudem muss klar sein, dass als werbefinanziertes Medium die kostenfreie Veröffentlichung eines Angebots ganz und gar nicht in Frage kommt. Auch nicht mit Quellenangabe. Wer über ein Medium Werbung oder Preisangebote verbreiten will muss auch für Werbung bezahlen! Alles andere ist Trittbrettfahren.

    Um zu verstehen wie die PR-Branche tickt, habe ich die ein oder andere PR-Fachliteratur studiert.

    Was ist dort zu lesen:
    Journalisten erhalten am Tag sehr viele (hunderte) eMails
    Journalisten wollen bestenfalls für ein Thema eine eMail
    Journalisten wollen keine Anhänge und schon gar keine großen Bilddateien per eMail
    Journalisten wünschen sich technisch einfach zu handhabende Dokumente
    … alles das wie wir uns den Zufluss von PR-Informationen wünschen.

    Was ist die Praxis:
    die PR ist im festen Glauben, dass nur Ihre eMail die einzige ist, die beim Journalisten eingeht und damit diese auch ja nicht übersehen wird, wird sie als „höchste Priorität“ gekennzeichnet
    Es werden viele unterschiedliche Themen in eine eMail zusammengefasst
    PR versendet übergroße Anhänge
    PR versendet schwer zu handhabende PDFs und DOC
    … genau das Gegenteil von dem, wie es die einschlägige Fachliteratur empfiehlt und der Journalist sich wünscht.

    Was PDFs, DOCs usw. betrifft (weil es in den Kommentaren auftaucht):
    Bei den vielen eMails die täglich eingehen und um redaktioneller Beachtung betteln, ist es nunmal erheblich schneller wenn die darin enthaltene Information direkt erkennbar wäre und nicht erst durch öffnen eines angehängten PDFs oder DOCs.

    Merke 100 x 1/2 Minute ist fast eine Stunde Arbeitszeit !!!
    Die Dimensionen in der hier seitens PR die Aufmerksamkeit der Journalisten erwartet wird ist für die Kostenverantwortlichen nicht tragbar. Wer – bitte schön – bezahlt die 2 bis 3 h Arbeitszeit, die durch das Selbstverständnis der PR täglich alleine in unserer Redaktion unproduktiv verbracht wird? Konservativ gerechnet sind dies € 3750 im Monat nur für das Lesen von PR eMails, ohne dass daraus ein einziger redaktioneller Beitrag entsteht.

    An einer so agierenden PR habe ich definitiv kein Interesse.
    Damit stimmt zu diesem Punkt das Ergebnis der Studie.

    Grundsätzlich stellt sich für mich als Medienverantwortlicher die Frage:
    Wer will hier was von wem? Bzw. Wer will hier die Reichweite von wem ausnutzen?
    Übrigens weisen die twitter-Accounts und Facebook-Seiten der Medien höhere Reichweiten auf, als die der PR-Agenturen.

    In einem Punkt der Umfrage muss ich noch einmal so richtig nachtreten:
    „PR-Fachleute klagen über desinteressierte Journalisten“

    Das ist umgekehrt ebenso der Fall – „Journalisten klagen über desinteressierte PR-Fachleute“
    Für mich schaut es so aus, als wenn Journalistenanfragen eine lästige Begleiterscheinung für die PR ist. Zu maximal 1% unserer Anfragen bei Pressestellen oder PR-Agenturen erhalten wir eine Antwort.

    Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass wir uns gegenseitig benötigen. So gesehen wird es Zeit aufeinander zuzugehen und die jeweilig andere Seite zu verstehen. Das geht allerdings nur, wenn man miteinander redet.

    Beste Grüße
    Armin Rohnen

    P.S. (weil es einfach so treffend ist) Die „Armada geistloser Blondinen“ hat meistens „etwas mit Medien“ studiert.

  45. Armin Rohnen: „Die ‚Armada geistloser Blondinen‘ hat meistens ‚etwas mit Medien‘ studiert.“

    Sicher ganz im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, diesen Heerscharen von schwerstintellektuellen Clooney-Lookalikes.

  46. Ich bin einer von den desinteressierten Journalisten. Ich habe mal irgendwo gelernt, dass Public Relations (etwa Beziehungen zur Öffentlichkeit) ein Teil des Marketings eines Unternehmen ist, um sich außerhalb des Unternehmes darzustellen und extern zu kommunizieren. Und das heißt auch, einen kompetenten Ansprechpartner im Unternehmen für die Öffentlichkeit (und Journalisten) zu haben.
    Das meiste, was sich heute mit »Public Relations« schmückt, ist schlicht und einfach Werbung. Schlimmer noch, da es hier um Sprache geht, die meisten PR-Meldungen sind eine Anhäufung von adjektivgeschwängerten Pseudofachbegriffen und Denglisch-Kauderwelch, aufgeblasen mit Worthülsen, Sprechlasen, heißer Luft, und viel Tam-Tam. Und dass zudem noch in katastrophalem Deutsch.
    Ich habe auch gelernt, das Nachrichten einen Neuigkeitswert haben sollen. Ich will meine Leser ja nicht langweilen, etwa mit dem berühmten Sack Reis, der in China umgefallen ist.
    Die meisten der sogenannten PR- oder Pressemitteilungen machen es dem Leser unheimlich schwer, den Neuigkeitswert in ihrem Wortmüll zu finden, wen es denn einen gibt. Würde eine Zeitung oder Zeitschrift in einem solchen Stil ihre Leser langweilen – oder besser traktieren – , würde es sie wahrscheinlich nicht lange geben.
    Ich sehe das so: Schaltet eine Agentur Werbung für 20.000 Euro, bekommt sie 3.500 Euro Provision. Also beschwatzt sie ihre Kunden, bei ihr PR für 10.000 Euro zu buchen, um damit wesentlich mehr Werbeplatz, zudem im redaktionellen Text, zu erhalten. Der Auftraggeber stimmt zu, die Anzeigenschaltungen werden verringert oder storniert, stattdessen werden die Journalisten nun mit Werbung, getarnt als »Pressemitteilung«, zugemüllt. Und man reagiert dann pikiert, wenn diese »desinteressiert« sind, und keine Verwendung haben.
    Nun noch zum Ansprechpartner bei der Unternehmenskommunikation: Da einige Unternehmen ihre »PR« komplett ausgelagert haben, wird es für einen Journalisten – sollte er dochmal Interesse an einer Pressemitteilung haben – der noch Fragen hat, zu einem richtigen Hürdenlauf, Antworten darauf zu bekommen, da die die meisten Agenturen nur auf einseitige Kommunikation ausgerichtet sind – wenn man es dann noch als Kommunikation bezeichen darf.

  47. Moment: Es ist den PR-Agenturen nicht gelungen, die Journalisten für ihr Produkt zu interessieren? Ist das denn überhaupt ihre Aufgabe? Ich als Journalist bin am glücklichsten mit den Pressesprechern (ist nicht ganz das gleiche wie PR, ich weiß), die mir auf Nachfrage (!) Kontakte herstellen, Infos bereitstellen, unter Umständen auch Hintergrundeinschätzungen geben. Aber das Interesse fürs Thema muss ich schon vorher mitbringen – das ist doch mein Beruf, dafür werde ich doch bezahlt!

  48. @franz
    Das ist absolut unser Eindruck. Die PR-Agenturen versuchen mit dem Argument Werbeplätze durch Pressinformationen auszutauschen. Die Richtung von diesem Weg ist nun klar Sichtbar – die Journalisten und Medien wehren sich dagegen.

    Trittbrettfahren funktioniert nunmal nicht. Wenn ich die Reichweite eines Mediums nutzen will muss ich auch meinen Anteil zur Finanzierung dessen leisten.

    Eine der sogenannten Presseinformationen als Advertorial mit der Kennzeichnung „ANZEIGE“ veröffentlich bringt den PR-Text in Umlauf, ist eindeutig als das zu erkennen was es ist „WERBUNG“ und spült Finanzierung in die Kasse des Mediums.

    Dann wäre jeder zufrieden, oder?

    @Zahnwart
    Ich hätte schon ein prinzipielles Interesse an jeder Information der Reisebranche die eine Antwort darauf gibt, warum man nun seinen Urlaub im hintersten Winkel von Irgendwo verbringen soll. Aber wir veröffentlichen nicht kostenfrei Werbetexte.

    Beste Grüße
    Armin

  49. @Jens Petersen: Zu welchen Konditionen? Und was sagt die von Ihnen beauftrage Agentur Faktenkontor dazu, dass Sie offensichtlich deren Urteil nicht vertrauen? Oder ist Ihr Kommentar am Ende nur ein symbolischer Akt? Damit blieben zumindest dem Qualitätsanspruch Ihrer Umfragen treu.

  50. Deine Grundannahme, die du als ein Postulat des „Radikalen Konstruktivismus“
    bringst, ist schlicht falsch, und dadurch gerät diese ganze „Kurznotiz“ in Schieflage. Ganz und gar verkürzt ist die Kernaussage des „Radikalen Konstuktivismus“ nämlich: „Die Sprache ist echt. Alles andere ist nur
    ausgedacht.“ Gerade der Sinn einer Zuordnung wie „echt“ als etwas von vorneherein feststehendem, das man zum Masstab für Bewertungen machen könnte, wird eben durch den „Radikalen Konstruktivismus“ bestritten. Ein Computermensch müsste das eigentlich kennen (Stichwort Fuzzy Logic, hast du bestimmt mal von gehört, was?!). Das PR-Problem, das du beschreibst, ist etwas
    Systemimmanentes: die Autopoiesis, d.h. „Selbstreferenzialität“ geschlossener
    Systeme, und ein PR-Mensch würde dir auch jederzeit beweisen können, das
    er die Sache genau richtig sieht und du sie genau falsch siehst. Übrigens kommt
    es zur Schliessung von Systemen, sobald die direkte Kommunikation einzelner
    Individuen miteinander aufgrund dem Überschreiten einer kritischen Systemgrösse
    nicht mehr möglich ist, jedenfalls dachte dies Niklas Luhman. Ein Computermensch
    müsste sich also fragen, wie man im Bezug auf das Internet oder soziale
    Netzwerke wie Twitter solche kritischen Systemgrössen definiert, bzw. bis wann
    man in einem „Frame“ mit vorgegebenen operationalen Möglichkeiten noch von
    individueller Kommunikation sprechen kann. Dein Blog ist, jedenfalls entsprechend
    der Metaphysik des „Radikalen Konstruktivismus“ ebensoviel oder wenig „PR“ wie
    dein Twitter-Account, und es gibt im „Radikalen Konstruktivismus“ auch keine
    Hilfen, die uns an die Hand geben können, warum wir deine Mitteilungen mehr
    oder minder „Liken“ sollten als etwa die Werbung für ein Berghotel oder für
    Präservative. Dieses Zongo-Limone-Ding (heisst es so?) ist übrigens ein gutes
    Beispiel, es wäre nämlich durchaus möglich, das ein Limonadehersteller dein
    Phantasieprodukt Realität werden liesse und du in absehbarer Zeit deinen
    eigenen Joke in einer echten Plastikflasche am Kiosk zu kaufen kriegen würdest,
    und der eigentliche Witz an der Sache wäre dann, das du genauso wie alle
    anderen mit echten Euronen dafür zu zahlen hättest!
    Realitätsverlust ist hierbei unmöglich, man kann nur aussteigen, so wie
    Luhmann, der, so wird berichtet, noch nicht mal einen Fernseher hatte.
    So ist es auch mit Anlegern, die Staatskrisen schaffen: sie reden nicht deshalb
    in einer Sprache, die unmöglich ausserhalb ihrer Kreise verstanden werden kann
    (etwa durch die Bürger, die bis auf die Kohle hier nichts beizusteuern haben),
    weil sie an einem Realitätsverlust leiden, sondern weil sie sich in einer Realität
    aufhalten, die dich und mich und die anderen schlicht nicht benötigt, da die
    Verfahren, wie sie ihr Basiskapital generieren, automatisch ablaufen.
    Luhmann sieht aber Perspektiven in der Richtung, in welcher etwa Lars von Trier
    unterwegs ist oder ein Joseph Beuys es war: „Breaking the waves“ hiesse dann
    die Devise. Aber für dich würde das jetzt wohl schon bedeuten , dich von deinem
    Hahnenkamm zu trennen, denn du bist selbst schon ganz schön wiedererkennbar
    geworden als Produkt!
    Übrigens gibt es Selbstreferentialität schon bezogen auf die einzelnen Organe des
    Systemverbundes „Mensch“. Deshalb stirbt dann auch Steve Jobs an Leberkrebs,
    weil der eben nicht rechtzeitig weh genug tut und die Leber einfach auf ihrer
    eigenen Wellenlänge vor sich hin funkt, bis es zu spät ist. Die Sache ist also
    kein bisschen ungefährlich.

  51. Auch ich bin einer dieser „desinteressierten“ Journalisten. Mehr noch: Ich befinde mich gerade auf einem Kreuzzug gegen sinnlosen PR-Spam.

    300 Mails pro Tag sind inzwischen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Ich arbeite bei einer Fachzeitschrift mit eng begrenztem Thema und eng begrenzter Zielgruppe. Für 45% der Mails, die an mich oder den bei mir aufgehängten Redaktionsaccount gehen, gibt es einen Ansprechpartner, der in unserer Redaktion das Thema schon seit 3-5, teilweise seit mehr als 10 Jahren betreut. In den meisten Fällen bekommt der die Infos auch direkt. Und zur Sicherheit geht es noch an den Redaktionsaccount. Und am besten noch an 3-5 weitere Kollegen, mit denen der PRler schon mal zu tun hatte. Dann gibt es ja noch die Assistentin der Geschäftsführung, die Zentrale und den Mediaberater (Anzeigenverkäufer). Die leiten solche Mails gerne mal mit Dringlichkeitsvermerk an die Redaktion weiter… Das heißt, die eine Mail kommt am Ende nicht einmal, sondern mehrfach beim zuständigen Redakteur an. Hurra!

    Mindestens 50% der PR-Mails gehen glatt am Thema oder der Leserschaft vorbei.
    Warum muss man einem IT-Blatt den Quartalsbericht einer Modekette schicken? Warum bekomme ich wochenlang jeden zweiten Morgen eine Einladung zur Darmspiegelung? Und und und … es reicht!

    Wie der Kollege Armin Rohnen weiter oben dargelegt hat: der PR-Spam ist eine erhebliche Arbeitsbelastung, die auch entsprechende Kosten verursacht. Was aber noch schlimmer ist: gelegentlich findet man die zwei oder drei Rosinen, die der Tag für einen bereithält, nicht zwischen 290 leeren Luftblasen. Wenn der Wettbewerb dann schneller war und das Postfach daraufhin gezielt gescannt wird, stellt man fest: Mist, das haben wir auch bekommen, aber nicht gesehen :-(

    Ich habe deshalb vor zwei Monaten angefangen, konsequent mit UNSUBSCRIBE zu antworten, auf alles, was ich nicht mehr haben will. Denn nur die wenigsten PR-Agenturen sind so nett, einen Unsubscribe-Link einzufügen. Und da wo es ihn gibt, funktioniert er in 10% der Fälle nicht. Aber auch die Unsubscribe-Mails werden oft ignoriert. Spätestens wenn die Betreffzeile lautet UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE UNSUBSCRIBE tut sich dann aber meist doch noch was …

    Aber auch das Austragen aus 789 ungewollten Verteilerlisten ist ein riesiger Aufwand. Und wird einem noch von Scherzkeksen vergällt, die einen mit Fragen nerven wie: „Sollen wir zusätzlich zu den angegebenen E-Mail-Adressen gleich die ganze Redaktion vom Verteiler nehmen?“ oder, nicht wörtlich, aber verklausuliert: „Habt Ihr uns nicht mehr lieb ..?“ … und nachher kreuzt der betroffene PRler bei der Umfrage den desinteressierten Journalisten an …

    Ich möchte auch mal ankreuzen, was mich nervt. Weil ich immer noch mit viel zu vielen unfähigen Ansprechpartnern in den Agenturen zu tun habe. Es gibt auch viele gute, keine Frage. Aber wenn Bilder grundsätzlich ein ein Word-Dokument eingebettet werden, bevor man sie verschickt… Wenn die Anforderung „300 dpi“ grundsätzlich ignoriert wird und eine Agentur angeblich nur 72-dpi-Material hat… Wenn ich am Telefon sagen soll, ob ein Thema zu uns passt, und die erste Nachfrage mit: „Moment, da muss ich erst mal Rücksprache halten, ich melde mich gleich wieder“ beantwortet wird, ich nicht mal den Hauch einer Gelegenheit habe, gleich noch die zweite Frage mitzustellen, die dann prompt eines weiteren Rückrufs bedarf … oder, auch ganz lustig: Wenn die Pressemitteilung.doc nur aus Kästchen besteht, weil der innovative Auftraggeber einen eigenen Zeichensatz kreiert hat, der auf meinem Rechner zufällig nicht installiert ist … dann möchte ich mit diesen Leuten eigentlich nix mehr zu tun haben. Und es ist auch schon vorgekommen, dass der Auftraggeber das von mir gesagt bekommen hat!

    Ach ja, die Anhänger der Schreibweise ZONGO haben wir auch. Denen bieten wir an, gerne auf eine Berichterstattung zu verzichten, wenn sie der Meinung sind, dass „Zongo“ nicht geht. Das hilft!

    Vor 10 Jahren hatten wir zu jeder IT-Messe den Telefonspam. Da wurden uns von unbedarften PraktikantInnen 24 h vor Beginn der CeBIT „Exklusiv-Interviews mit dem Konzernchef aus den USA“ angeboten. Darauf ist vielleicht noch der Volontär reingefallen, der erst sechs Wochen zuvor angefangen hatte.

    Heute wird gemailt, was der Server hergibt. Aber der Platz, auf dem man (zumindest die interessanten) Themen behandeln kann, wird im Print immer weniger – denn wenn aus Anzeigengeldern PR-Etats werden, dann werden auch die redaktionellen Seiten reduziert. Das blenden die PR-„Experten“ aber anscheinend lieber aus – und ihre Kunden verstehen es nicht oder ignorieren es stillschweigend … aber auch das ist eben ein Punkt der zu „Desinteresse“ führt: dass man den weniger werdenden Platz eben genauer einteilen muss, und „bunte“ Themen oder Rand-Bereiche zum Teil komplett entfallen. Auch zum Leidwesen der Redakteure, die gerne einmal den Lesern eher ungewöhnliche Geschichten präsentieren möchten, statt immer nur den Routinekram zu erledigen …

  52. Ein interessantes Thema, das eigentlich viel weiter führt, denn ein weit gefasster PR-Begriff würde zeigen können, dass alle Beteiligten am Online-Leben PR-Objekt sind. Wie anders kann man sich erklären, dass Tausende von Print- und Online-Medien tagtäglich nichts anderes tun, als über den Wirtschaftsbereich Internet zu schreiben, über eventuelle Features von Facebook oder twitter zu mutmaßen? Und das, ohne dafür bezahlt zu werden, ohne dass diese Firmen auch nur eine müde Mark in PR investieren müssen. Computerzeitschriften zeigen ihren Lesern allwöchentlich, wie man welche Microsoft-Programme benutzt? Warum eigentlich? Damit Microsoft sich die PR-Kosten spart? Auf Symposien und Tagungen, in Tausenden von Büchern, ja privat diskutieren Millionen von Menschen ohne Bezahlung der entsprechenden Firmen darüber, wie man deren Produkte am besten nutzen könne. Die schönsten PR-Jobs haben dieser Tage sicher die Jungs von Google und Facebook. Und wir merken ihre Tätigkeit nicht einmal, im Gegenteil, wir sind böse, weil sie uns nicht genug berichten, wir wollen mehr Infos. Warum nur machen sie so wenig PR??

  53. Nachtrag: Dass man sich über viele PR-Leute aufregt, liegt eher daran, dass sie ihre Arbeit zu vordergründig machen. Als Kinder unserer Zeit sind wir eben so: Wenn wir glauben, wir könnten etwas auf jeden Fall bekommen, ist es uninteressant für uns. Wenn es sich uns entzieht, wenn es geheimnisvoll für uns ist, dann beginnt Neugier zu brodeln. Informationsgesellschaft? Die Information, die ich so einfach bekommen, kann nicht wirklich gut sein. Exklusivität ist das Merkmal, das wir suchen. Was glauben wir wohl, warum die obersten Entscheidungsebenen in der ganzen Welt nicht im Traum daran denken, soziale Netzwerke oder dergleichen zu nutzen? Nein, dort KANN es keine wichtigen Informationen geben. Punkt.

  54. […] Auslöser war dieser Blogpost von Sascha Lobo, in dem es um penetrante und geistlose PR geht. Zuvor waren die Ergebnisse einer Umfrage herumgegangen, wonach sich viele PR-Agenturen inzwischen über „desinteressierte Journalisten“ beschweren. Das Desinteresse sei auch kein Wunder, fand Sascha Lobo, und zitierte u.a. aus dem fiktiven Anruf einer Presseabteilung: …auf Ihrer Webseite steht zwar, Sie wollen NIEMALS aus PR-Gründen angerufen werden, aber wir haben hier die Weltpremiere des neuen ZONGO Limone mit WLAN, wenn das keine Ausnahme ist, dann… […]

  55. Huhu ihr Lieben!!!
    Ist ja schon eine Weile her, dass dieser Artikel gepostet worden ist. O.O

    Eigentlich wollte ich auch nur anmerken, dass der Blogroll teilweise auf „halbtote“ Blogs verlinkt, wo schon ein halbes Jahr nichts mehr gepostet worden ist beziehungsweise wo die Seite scheinbar sogar vom Netz genommen wurde.

    Naja…
    Den „Radikalen Konstruktivismus“ finde ich nicht so schön.
    Sowieso ist der Konstruktivismus eine weitgehend weltfremde Theorie meiner Ansicht nach: Er ist im Grunde nur eine umständlich formulierte Neuauflage von Descartes Rationalismus.
    Allerdings ist unsere Welt nicht so frei konstruierbar. Manchmal sieht es so aus. Aber das täuscht nicht selten, denke ich.

    Vielleicht geht es auch eher um das Verhältnis von Virtualität und Realität.
    Das Internet lässt dabei die Grenzen verschwimmen.
    Damit wird jedoch Realität nicht aufgehoben oder ausgelöscht, sondern bekommt einfach nur eine andere Qualität, welche wir gegenwärtig noch nicht einschätzen können. Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung.

    PR – Agenturen gehören mit zu dieser „Pionierzeit“ und versuchen regelmäßig, die wahrgenommene Realität zu verzerren, zu entstellen, um Imagepflege zu betreiben und Kaufanreize zu setzen.
    Sie versuchen (Pixel-)Träume teuer zu verkaufen. :(

    Öffentlichkeitsarbeit dient oftmals den Konzernen als Manipulationsstrategie, während sie für kleinere Unternehmen durchaus auch im positiven Sinne der Aufklärungsarbeit und Informationsvermittlung nützlich sein kann.
    Für große Konzerne droht eine zu hohe Transparenz ein internes Chaos zu stiften und die Steuerbarkeit des Konzerns erheblich zu verschlechtern. Vereinzelte Stakeholder könnten ihre Interessen dann auch ziemlich effektiv durchsetzen, was nicht immer gut sein muss.

    Entscheidend ist vermutlich die Zielsetzung der Öffentlichkeitsarbeit: Geht es bei der PR um Selbstoffenbarung oder um Beeinflussung???
    Schulz von Thun hat seinerzeit ein Kommunikationsmodell entwickelt, welches in diesem Zusamenhang interessant ist.
    Je ausgeprägter das betriebswirtschaftliche Profitinteresse ist, desto bedeutsamer wird der Manipulationsaspekt, oda???

    Im Endeffekt stiften zahlreiche PR – Agenturen mit ihren produzierten Halbwahrheiten vor allen Dingen Verwirrung und schaden sogar langfristig damit ihren Auftraggebern. Ehrlichkeit währt am längsten!!!

    Aber diese Zusammenhänge sind etwas komplexer und lassen sich nicht in einem Kommentar kurz skizzieren ohne missverstanden zu werden.

    Liebe Grüße, Eure Auc :)

    P.S.: Ich finde es nicht so schön, wenn Du relativ häufig Klammern setzt.
    Das beeinträchtigt meines Erachtens den Lesefluss, lieber Sascha. ;)
    …OMG… eigentlich wollte ich gar nicht so viel schreiben!!!

  56. Guten Abend Herr Lobo,

    nachdem ich im Spätsommer diesen Jahres das Buch „Transparent und glaubwürdig“ von Klaus Eck gelesen habe und Sie in diesem Buch erwähnt worden sind, bin ich ein großer Fan Ihres Blogs geworden und schaue regelmäßig hinein.

    Ich bin leidenschaftlicher Inhaber einer besonderen Handtaschenmanufaktur aus Stuttgart. Zusammen mit meiner Freundin Kristina (Mode-Design Studentin) haben wir „Univergen“ Ende 2010 als Start-up gegründet.

    Wenn Sie Zeit finden sollten, würde es mich sehr freuen, wenn ich von Ihnen mit Ihrer Erfahrung ein kleines Feedback erhalten würde, bezogen auf die Marke Univergen, die Aussenwirkung auf Sie aus einer unvoreingenommenen Perspektive. Hiermit meine ich, Sie wissen nicht, dass es Univergen erst 1 Jahr gibt.

    Viele Grüße und ein gutes neues Jahr 2012 für Sie
    Daniel Feil

  57. @Auceza: Das sehe ich anders. Wenn man sich z.B. die Blogs in Deutschland anguckt, stellt man fest, dass die meisten täglich nichts anderes tun, als Marken zu bequatschen. Diesen Lippenstift, diese Hose, diese Tasche, dieses Smartphone, dieses Betriebssystem, diese Suchmaschine, aber leider eben nicht mit „diese“, sondern als Markennamen. Wir sind selber Teil der PR-Welt und sind auch noch scharf darauf. In den 80ern wäre so was noch unmöglich gewesen, da wäre man sofort als irgendwas geoutet gewesen. Heute will jeder Student später bei Mercedes arbeiten, weil es eine bekannte und erfolgreiche Marke ist, damals wäre das peinlich gewesen, bei einem Produzenten von Waffen UND Autos zu arbeiten. Also bitte nichts auf die PR schieben. Wir selber haben die Verantwortung.

  58. Der Link zu neusprech.org ist fehlerhaft. Dort fehlt das „http“. Deswegen versteht mein Firefox diesen nur als internen Link innerhalb der Seite und versucht „http://saschalobo.com/2011/11/16/realitatsverlust-in-der-pr-branche/neusprech.org“ zu öffnen.

  59. @Stefan S.: Naja, wir sollten aber nicht verallgemeinern. Das ist auch so eine Sache, die mich an vielen PR-Hanseln stört. Es wird davon ausgegangen, dass jeder, wirklich jeder ein karrieregeiler Opportunist ist, was, und hier muss ich leider aufgrund meiner Erfahrungen doch etwas verallgemeinern, auf PR-Menschen überdurchschnittlich häufig zutrifft – das liegt ja schon in der Tätigkeit begründet. Abgesehen davon ist es bedenklich, welchen Einfluss diese im Grunde parasitäre Branche hat. Alleine Frankfurt a. M. scheint zur Hälfte aus PR-Agenturen zu bestehen, der Rest sind dann die Banken, die wiederum von diesen Agenturen in medialen Kanälen beklatscht werden. Das sind die Kreisläufe der Macht, des Geldes und schlussendlich der Meinungsmache. Auffällig ist auch, aber das ist ebenfalls nicht verwunderlich, die hohe Anzahl der „von und zu“ und der fragwürdigen Doktortitel in diesem Metier. Der Vorwurf des Realitätsverlustes ist wohl der harmloseste den man vielen in dieser Branche machen kann.

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