
Erdmöbel, Herrndorf – Label Mates
Ab und an stört mich die Angst einiger Leute, für „anbiedernd“ gehalten zu werden, wenn man etwas ungebrochen für fantastisch hält. Coolness ist morsches Holz, Begeisterung ist Gold, deshalb begeistere ich mich an dieser Stelle für Erdmöbel und Wolfgang Herrndorf. Erdmöbel ist heute mit einer Mischung aus Lesung und Konzert in Berlin im Babylon Mitte, um 20.00 Uhr.
Starke Hinkommempfehlung.
Zur Frankfurter Buchmesse bei einem Essen traf ich Markus Berges, der ebenfalls bei Rowohlt Berlin einen Roman mit dem Namen „Langer Brief an September Nowak“ geschrieben hat. Markus erzählte von seinem Musikerdasein und erwähnte in diesem Zusammenhang, dass wir bei Rowohlt Berlin „Label Mates“ seien, ein wunderschöner Begriff, den ich nicht kannte. Weil ich auch glaubte, ihn nicht zu kennen, unternahm ich das einzig Natürliche und googelte ihn unter dem Tisch, während ich so tat, als würde ich in die Speisekarte schauen. Und dann war Markus Berges auf einmal der Sänger von Erdmöbel, einer Band, die ich nicht schätze, sondern bis ins Lächerliche hinein kultisch verehre. „Strohfeuer“ habe ich zu einem guten Teil zu den Liedern von Erdmöbel geschrieben, auf repeat gestellt, natürlich, von „Lang schon tot“ bis zu „Wurzelseliger“, einem etwas hemdsärmligerem Stück. Und auf einmal bin ich Label Mate vom Erdmöbel-Sänger; Tage tanzte ich. Und auch ihr sollt tanzen und hören, und zwar heute Abend im Babylon Mitte, wie oben steht. Auf der Rückfahrt mit dem Auto von Frankfurt nach Berlin habe ich vom neuen Album Krokus „Das Leben ist schön“ fast einhundertmal auf repeat gehört, das Lied hat mich in diese Stimmung des melancholischen Pathos versetzt, wo man je nach Tageslaune vor Freude Schluckauf bekommt oder Tränen in den Augen hat und nur noch Riesling hilft.
[Link zum Erdmöbel Youtube-Channel]
Wolfgang Herrndorf habe ich 2003 im Internet kennengelernt, da hatte er gerade den furios verzweifelten Roman „In Plüschgewittern“ geschrieben. Jetzt hat er den Roman „Tschick“ veröffentlicht, auch bei Rowohlt Berlin natürlich, der hervorragend besprochen wird, natürlich zu Recht. Ich bin gerade mitten dabei, den Roman zu lesen, aber es nimmt mich mit, denn ich kenne die Geschichte der Entstehung. Wolfgang Herrndorf hatte Anfang des Jahres mit Kopfschmerzen und motorischen Störungen zu kämpfen. Der Grund dafür war der schlimmstmögliche Grund, den man auf die Schnelle in Wikipedia finden kann außer vielleicht einem Asteroideneinschlag in Kopfnähe, nämlich ein Glioblastom. Es handelt sich um den aggressivsten, gefährlichsten, arschlochartigsten Hirntumor im an Gefährlichkeiten nicht eben armen Krebsreigen. Während das Buch „Tschick“ entstanden ist, den Tumor im Nacken und gleichzeitig ein wenig darüber, hat Wolfgang Herrndorf Tagebuch geführt. Inzwischen ist das Tagebuch in Blogform öffentlich, zu finden unter http://wolfgang-herrndorf.de – ich empfehle eine andere Reihenfolge als die chronologische, nämlich zuerst „Dämmerung“ zu lesen, dann die Rückblenden eins und zwei und dann hier beginnend den Rest dieses ärgerlich großartigen Blogs. Und dann selbstredend „Tschick“. Schliessen möchte ich mit einem Zitat aus dem Blog, das den Startschuss zu diesem Roman darstellt:
Ich fange an, mich vorsichtshalber auf drei Monate runterzurechnen. Könnte man leben, wenn man nur noch drei Monate hat? Nur noch einen Monat?
Ich werde noch ein Buch schreiben, sage ich mir, egal wie lange ich noch habe, wenn ich noch einen Monat habe, schreibe ich eben jeden Tag ein Kapitel. Wenn ich drei Monate habe, wird es ordentlich durchgearbeitet, ein Jahr ist purer Luxus.
Was könnte man noch machen? Der Gedanke, den Diktator einer Bananenrepublik zu erschießen, drängt sich als sinnvollste Möglichkeit in den Vordergrund, viel besser läßt sich das Leben nicht nutzen. Mit der Winchester meines Vaters. Aber die Diktatorendichte vor meiner Haustür ist gering, und für einen ausgeklügelten Miles-and-more-Terrorismus reicht es vermutlich nicht mehr.
Liste von Dingen, die besser geworden sind: Nie wieder Steuererklärung, nie wieder Rentenversicherung, nie wieder Zahnarzt. Ich werde meine Eltern nicht zu Grabe tragen. Größte Horrorvorstellung meiner letzten Jahre: Ich stehe in ihrem Reihenhaus, umgeben von Erinnerungen und einem riesigen Hausstand, den ich weder entsorgen noch bewahren kann.
Schlimme Konzentrationsstörungen. Wenn ich lese, ergänzt mein Gehirn jeden Satz: Lee Harvey Oswald ging die Straße entlang, und du wirst sterben. Er sah die Autos, und du wirst sterben. An allen Gegenständen und Menschen haften jetzt kleine Zettel mit der Aufschrift Tod, wie mit Reißzwecken dahingepinnt. C. legt ihren Arm um meine Schulter: Tod. Sie lächelt: Tod.
Nachtrag: Twitternutzer „Kotzend Einhorn“ hat für den WDR einige Passagen von Tschick eingelesen.
Die Wörter ließen erschaudern, aber so war das wohl gedacht :)
[…] Hier hat Sascha geschrieben über Erdmöbel (und über Herrndorf.) var flattr_wp_ver = '0.71'; var flattr_uid = '1685'; var flattr_cat = 'text'; var flattr_tle = 'Warum immer nur Astern?'; var flattr_dsc = 'Herbst ist, also Standardbeblühung: Herbstastern oder Chrysanthemen (die keiner ohne zu googlen buchstabieren kann), Krokusse sind heutzutage jedoch, aufgrund des Klimawandels etwa, auch im November kaum anachronistisch.'; var flattr_tag = 'Erdmöbel,Krokus,Musik'; var flattr_url = 'http://www.denkding.de/?p=2843'; var flattr_lng = 'de_DE'; […]
Oder: Etikett-Schwager.
[…] Blog von Wolfgang Herrndorf – http://www.wolfgang-herrndorf.de/ (Wir empfehlen die in diesem Blogbeitrag vorgeschlagene […]
Etikettschwager, das gefällt mir. Auf eine Art.
Was mir gefällt: eine Band „kultisch verehren“ aber den Namen des Leadsängers nicht gewusst zu haben. Was zu ebendieser Band ja auch passt (ging mir übrigens auchso, also: kultisch verehren nun nicht gerade, aber schätzen & sich um biographisches / „Geschichte“ o. ä . eher nicht zu scheren).
Bei Don Dahlmann kommentierte ein “schmittchen11″ gestern Folgendes: “ich hab alles vernetzt, blog twiiter und co. aber das bringt mir ehrlkich gesagt kaum was ausser dass ich weniger schreiben muss.” In einem Thread, der am 21.2. (!!!) das Licht der Welt erblickte. Frage 1: Wer will wissen, womit “schmittchen11″ seine Restlebenszeit verbringt? Noch dazu so spät nach dem original posting. Frage2 : Passiert dir das auch, dass Leute partyzipieren, vulgo Beiträge absondern zu entries, deren Ursprung lange zurück liegt? Ich wollte einfach bloß der Konversation frönen. Krieg dich wieder ein.
Lieber Sascha. Jetzt, da ich „Strohfeuer“ gelesen habe, muss ich sagen: Gar nicht schlecht, Herr Specht. Gestatte mir bitte einen Hinweis auf mein Buch: „Soziolinguistische Untersuchungen zur Mehrsprachigkeit im Aostatal“ von Till Diepold. Greetz
Ich stelle dän Kommentar einschtweilen zurück, bisch au alle Informationen, die wo au der Gägenseite in toto vorlegt worden schind, au vollschtändig däm Dr. Geißler alsch Folie überreicht worden schind.
Warum musstest du immer wieder „Repeat“ drücken? Setze ich einmalig „Repeat“ – läuft ein Lied in einer Endlosschleife. Hast wohl nicht den besten Player …
[…] (14) 8. Fünf Filmfreunde (21) 9. Metronaut (45) 10. AMY&PINK (61) 11. annalist (69) 12. saschalobo.com (75) 13. Sprengsatz (83) 14. Der Schockwellenreiter (85) 15. taz Hausblog (107) 16. […]
Wenn de sowat findest Sascha, dann nimm dir dat nich so zu herzen. Trudelese is bestimmt nich für Dich bestimmt. bei den anderen wörtern kann man dat ja nich so eindeutich sagen. dat kannst nur du selbst entscheiden. da kann keeener rinreden.
[…] lässt die Welt in seinem Blog wissen, was er denkt. Über Deutsche Politik. Aber auch über Musik, Internetthemen, sein Buch. Auf Twitter lesen knapp 50000 Follower, welche 140-Zeichen-Punchlines […]
arschkeks
immer zu hause hocken – wann verdienste denn mal jeld?
Begeisterung ist immer gut, es gibt ja viel zu wenig Menschen, die sich für etwas begeistern können, ohne zu schauen, ob es nicht noch genug coole andere Begeisterte gibt, damit keiner einen für die Begeisterung kritisieren kann. Also, bei Erdmöbel ist man da noch im individuellen Bereich, glaube ich, bei Goldfrapp wär’s schon zu naja.
Hatte vor einiger Zeit schon diesen Breitrag gelesen und neulich beim Joggen den Wunsch nach neuer Musik verspürt, mich errinert und das Ermöbel Album schön mal direkt in den Wald bestellt…sehr schön!
Verehre die Herren Erdmöbel ebenfalls fast bis ins „Lächerliche hinein kultisch“ schon seit Ewigkeiten (Bad mit Definen) und war eigentlich heimlich immer froh, dass sie so wenig Beachtung fanden/finden im deutschen (main-)stream…obwohl ich es ihnen natürlich auch gönnen würde….
Erwähnung bei Ihnen ist aber sehr ok und ich danke hiermit nochmal dafür :)