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Standardabmahnartikel

Recht vor Gnade – nach diesem Motto mahnt [Weltmarke] derzeit verstärkt Blogger, Forenbetreiber und Internetcommunitybenutzer ab. Kaum jemand weiss, dass sich [Weltmarke] bereits vor Jahren die Rechte an allen [irgendwas] sicherte, und zwar inklusive sämtlicher Fotos, Darstellungen und Zeichnungen sowie an Abbildungen der von schräg hinten so ähnlich aussehenden [irgendwas ganz anderes]. Das Markenrecht ist hier auf der Seite des Konzerns und erlaubt ihm auch, Lizenzgebühren auf [sonstwas] zu erheben. markenrechtsverletzungIn einem vorliegenden aktuellen Fall war auf dem Foto eines Bloggers schemenhaft im Hintergrund der Schatten eines [irgendwas]-förmigen Flaschenöffners zu sehen. Eine schwerstwiegende, akut das gesamte, weltweit agierende Unternehmen in seiner Existenz bedrohende Markenrechtsverletzung, befand [Weltmarke] und schickte umgehend eine Abmahnung mit einem Streitwert von [Rüstungsetat eines mittleren afrikanischen Landes]. Doch damit nicht genug.

pressesprecherinAuf Nachfrage bestätigte die Pressesprecherin von [Weltmarke] nicht nur, dass die Abmahnung samt der [hohe Zahl]-Kostennote echt ist, sondern auch, dass in der Zwischenzeit [andere hohe Zahl] nonprofessionell-netzpublizistisch tätiger Personen abgemahnt worden seien:

„Wir, [Weltmarke], sehen uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt gezwungen, diese schwerstwiegenden Markenrechtsverletzungen in der Geschichte der Geschichte als quasiterroristische Attacke auf das Herz unseres Unternehmens betrachten zu müssen. Wenn wir nicht sofort unerbittlich, mit härtester Härte und grotesk übertrieben gehandelt hätten, hätte uns die Börse schwer abgestraft, eine Insolvenz wäre unausweichlich gewesen, die auch [Kontinent], wenn nicht sogar [Wirtschaftssystem] an sich ins Verderben hätte stürzen können.“

Die Pressesprecherin bezeichnete weiterhin das Vorgehen von [Weltmarke] als „gütig und angemessen“. Um sowieso nie bestanden habende Zweifel auszuräumen, habe man ein Gutachten des prominenten, nebenberuflichen Ethik-Rats des Unternehmens, Kim Jong Il, eingeholt, der dem Konzern eine „kaum noch erträgliche Menschenfreundlichkeit im Umgang mit eigentlich vernichtenswerten, hochkriminellen Unternehmensfeinden“ ausdrücklich bescheinigt habe.

kommunikationsabteilung

Die Kommunikationsabteilung von [Weltmarke] sieht unterdessen auch angesichts der anschwellenden Welle der medialen Kritik keinen weiteren Handlungsbedarf. Man sei sich zwar der Tatsache bewusst, dass [Zahl] der ersten [Zahl] Suchergebnisse auf Google das Vorgehen des Konzerns kritisierten. Die Marketingleitung habe aber daraufhin beschlossen, sich die Webadresse www.atombombenaufspatzen.de zu sichern, um „bei aller überlebensnotwendigen, juristischen Härte nicht auch den unterhaltsamen Aspekt der Angelegenheit aus den Augen zu verlieren“. Man werde das Thema humorvoll aufbereiten und daraus eine hochaktuelle, virale Internet-Kampagne als über Youtube downloadbares PDF-Spiel zum Preis von nur [hohe Zahl] Goldmark herstellen. Insgesamt sei man zuversichtlich, dass der Streit schnell und ohne weiteren Schaden für das Unternehmen beigelegt werden könne, wenn jeder einzelne der Wirtschaftskriminellen die volle Summe gezahlt habe. Bei alleinerziehenden, arbeitslosen Müttern mit blinden Kindern könne man sich sogar vorstellen, die Strafsumme um bis zu 10% zu mindern, so die Pressesprecherin weiter – es gehörten aber ohnehin kaum ein Viertel der Abgemahnten in diese Kategorie. Dies sei als freundschaftliches, aber keinesfalls notwendiges Zugeständnis und Zeichen der Solidarität mit „diesem neuen Medium Internet und seinen für unseren Börsenkurs irrelevanten Benutzern“ zu werten.

Das weitere Vorgehen, von dem man sich niemals und durch nichts und niemanden jemals abbringen lasse, sei klar: Die Markenrechtsradikalen müssten eine Unterlassungserklärung unterzeichnen, die sie im Wiederholungsfall zur vollständigen, generationenübergreifenden Verpfändung ihres Familienbesitzes sowie zu [mittelhohe Zahl] Jahren Frondienst im konzerneigenen Arbeitslager zwänge. Der Wiederholungsfall gelte auch dann, wenn jemand, der so ähnlich hiesse oder am selben Tag Geburtstag habe, die heiligen Markenrechte blasphemisch herabwürdige. „Diese subversiven Kräfte müssen wissen, dass sie eine gesellschaftliche Marken-Verantwortung tragen – gerade auch für Dritte“. Auf diese Weise pole man die Feinde des Unternehmens geschickt zu Markenbotschaftern um, so die Pressesprecherin augenzwinkernd.

CEO

Im übrigen sei weder im gedruckten SPIEGEL noch in der Tagesschau etwas von den Vorgängen angekommen, so dass kein PR-technischer Schaden entstanden sein könne. „Wir sind in dieser Angelegenheit auf dem einzig richtigen Weg, auf dem leuchtenden Pfad, wenn Sie so wollen“, fügte der CEO von [Weltmarke] hinzu. Man werde diesen unter allen Umständen beibehalten, weil er ja der einzig richtige sei. Den Vorwurf, es gehe gar nicht mehr um [irgendwas], sondern um den kalten Stolz einer juristischen Maschinerie mit einem vordigitalen Gesellschaftsverständnis, wies der CEO als „verletzend, ehrabschneidend, völlig übertrieben, heimtückisch, konterrevolutionär und im Kern durchaus justiziabel“ zurück. Gleichzeitig forderte er die Staatengemeinschaft der Welt nachdrücklich auf, endlich die Genfer Markenrechtskonvention zu ratifizieren.

Als einzige, aber nur sehr kleine Chance des Einlenkens bezeichnete der CEO die Möglichkeit, dass der elfjährigen Tochter des Aufsichtsratsvorsitzenden die beanstandeten [irgendwas] irgendwie gefallen würden und sie sich deshalb für die Delinquenten verwende, wenn sie das nächste halbjährliche Update der Kommunikationsstrategie des Konzerns präsentiere.

mehr zum Thema im gesamten Internet und beim beim Werbeblogger

This Post Has 76 Comments

  1. LOL, sehr gut, und vor allem soooooooo nachhaltig, dieser Artikel, denn leider wird er sich bereits in Kürze aus neuem Anlass verwenden lassen.

  2. Ich fang jetzt auch an abzumahnen, da scheint einiges zu holen zu sein. Ich weiß nur noch nicht, was und wie ich’s anstellen soll.. Alle die atmen vielleicht.. oder die ihre Lippen benutzen.. ach mir fällt schon noch was ein..

  3. Perfekt geschrieben. Der Abmahnsinn wird weitergehen und dieser Artikel wird immer wieder verwendbar sein bis [Weltmarke] merkt, das sie sich ihr eigenes Grab schaufeln.

  4. Perfekt! Das kann man ja jetzt immer wieder verwenden. Endlich haben wir Waffengleichheit. Sonst wären wir deren immer gleichen Abmahnschreiben ja nie Herr geworden…

  5. Abmahnsinn !!! Das ist schon ein Sport geworden, anstatt sich mal darum zu bemühen selbst was auf die Kette zu bekommen andere Leute anschwärzen, unmöglich ist sowas. Gute Reaktion !!!

  6. Ich hab in Gedanken schon Weihnachtsgeschenke von [Weltmarke] geplant. Daraus wird nun nichts! [Weltmarke] werde ich gewiss nie wieder kaufen! Und meine Kumpels werden schon zu hören kriegen, dass es ZIEMLICH peinlich ist, sich mit [Weltmarke] zu zeigen.

    Habe einen Brief an info@[weltmarke].com geschrieben und bin sehr gespannt auf die Antwort. Wer will, kann sich mir anschließen:

    „Sehr „geehrte“ Damen und Herren,

    wie ich aus verschiedenen Blogs erfahren musste, gehen Sie bzw. die von Ihnen von der Kette gelassenen Anwälte…

    *fällt ins Koma*

  7. Sehr gut geschrieben. Immer wieder gerne hier auf Deiner Seite. Warum erzählt eigentlich von unseren Politikern niemand den Anwälten von [Weltmarke] und [anderen Weltmarken] sowie [weiteren Kleinmarken], dass die Versendung von willkürlichen Abmahnungen uncool ist und eher gegenteilige PR bringt?
    Gruß OF

  8. Hut ab Herr Lobo!
    Ich verneige mich tief vor Ihnen und Ihrer Fähigkeit dieses äußerst lästige Thema so treffend darzustellen.
    Dieser Abmahn-Aberwitz muss ein Ende haben.

    mfg
    DD

  9. Hallo,

    ich muss sagen, ich bin verwundert.
    Ich finde diesen Blogpost auch wunderbar, allerdings vor allem deshalb, weil ich ihn auch als Persiflage auf die „Netzgemeinde“ sehe, die mal wieder eine neue Sau durchs Dorf treibt.
    Ich bin nun wahrlich kein Markenfetischist (die, die mich in echt kennen, können bestätigen, dass ich mich nicht sehr für Mode interessiere :-), auch besitze ich keine Wolfskin-Produkte.

    Aber mit welcher Vehemenz hier Aktionismus betrieben wird, vor allem bei einer solch einfach gelagerten, an sich schon fast unpolitischen Sache, wundert mich. Ich wünschte mir solche Kampagnen bei politisch wichtigeren Themen, z.B. bei der Asylpolitik (http://der-gute-tweet.de/kmii.php) oder bei der Gleichstellung von Männern und Frauen. Die Themen, die wirklich kontrovers (!) diskutiert werden.

    Bei #JackWolfskin scheint es mir so zu sein, dass sich nun sehr viele es sehr einfach machen, weil die Geschichte ja gar so trivial erscheint. Eine wirklich politsche Aussage ist das doch nicht, jetzt so auf den ach so bösen Goliath einzudreschen.

    Mit kommt der Fall wie ein (dummes) Machtspiel vor. Es geht nicht um den Kern (Markenrecht bzw. menschliches! Miteinander) sondern nur um blinde Rache und dumme Machtspiele.

    Das ärgert mich bei der Reaktion aus „dem Netz“.
    Und ich finde (ich bin gespannt, wie ihr das seht), dass Saschas Artikel auch die Netzgemeinde (oder momentan die besonders lauten darin) auf Korn nimmt. Wie seht ihr das?

  10. Danke Thomas. Du bringt’s es endlich mal auf den Punkt. Auch auf der discuss&discover wurde diese Sau mächtig durch die Messehallen gejagt. Stellt sich die Frage, ob sich mit der Diskussion nicht die ‚Community in der Community‘ selbst ein Votum gibt (nachdem die anderen Beispiele langsam alt werden). Sprich lassen sich die zahlreichen Social Media Experten jetzt mit dem fall wieder feiern? Ein Negativbeispiel und der alte ‚Mit-Angst’Verkaufen‘ Approach? Markenrechte werden täglich auf eBay verletzt und von Firmen verfolgt, so neu ist das nun wahrlich nicht mehr. Auch ich stelle mir die Frage… Persiflage, Glosse oder Satire…?

  11. Zustimmung! [alternativ: LOL, ROFL, Genial] Wie immer hat [Name_Held] der Netzgemeinde [alternativ: Bundesregierung, Polizei, DENIC, Frauengruppe] den Spiegel vorgehalten [alternativ: die Meinung gegeigt, Hörner aufgesetzt, die Zeit gestohlen ]. Wie ich [irgendjemand] auch hier [link] schon ausführlich dargelegt habe, ist der Sache [alternativ: causa, Angelegenheit, Schweinerei] nichts mehr hinzuzufügen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Ihr [alternativ: ich, Sie, wir] viel zu viel Zeit mit diesem dummen Zeug vertrödeln.

  12. Die Sau durchs Dorf jagen – um einen Vorschreiber zu zitieren – ist gut. Es zeigt, dass die Netzgemeinschaft funktioniert und Einzelfällen dieser Art etwas entgegenzusetzen hat. Ob sich an der Thematik kurzfristig etwas ändern wird bleibt jedoch abzuwarten. Derzeit wird das Markenrecht fast höher eingestuft als das Persönlichkeitsrecht.

    Aber gleich mit Totschlagargumenten wie „kämpft lieber für Gleichberechtigung, Asylpolitik, Weltfrieden“ ist absurd. Zum ersten ist die Netzcommunity noch nicht so weit um hier den Hebel anzusetzen (man siehe Bundestrojaner, Netzsperren) und zum zweiten gibt es immer eine Sache die angeblich wichtiger ist als die andere…

    Insofern ist jede Sau die durchs Dorf getrieben wird eine gute Sau und wem das nicht ausreicht, der darf sich doch gerne dem Weltfrieden widmen. Hält Ihn doch keiner davon ab. Im übrigen beginnt der Frieden in meinen Augen auch damit, dass Firmen nicht mehr die Möglichkeit haben wegen Nichtigkeiten in das Leben normaler Bürger einzugreifen.

  13. Ich lach mich schief! Mein Lieblingsabschnitt:

    schickte umgehend eine Abmahnung mit einem Streitwert von [Rüstungsetat eines mittleren afrikanischen Landes]

    Das ist großes Tennis!
    P.S.: Echte Kenner kaufen sowieso nichts von [Weltmarke]. Die holen sich die Klamotten von dieser [Trendmarke] für Outdoorfreaks aus der Schweiz, die gleich noch einen Vorteil hat: Man wird nicht überall sofort als Deutscher erkannt. Mit Kleidung von [Weltmarke] dagegen schon.

    Aus Motocity
    Mario

  14. Causa Jack Wolfskin: Wo Anwälte scheitern, da braucht es PR…

    Mit dem Griff zum Telefon fängt es an. Am einen Ende der Leitung: der Marketing-Chef, am anderen: die Rechtsabteilung. Fortan geht alles ganz schnell. Die Unternehmensmarke wurde beschädigt, hört der Justiziar, eine Markenrechtsverletzung. Man müss…

  15. Wunderbar auf den Punkt gebracht! Ein grandioser Artikel. Er bringt einen tatsächlich zum schmunzeln über all diese unglaublich grotesken Geschehnisse, über die man eigentlich eher heulen könnte! Vielen Dank!

  16. Klassisches Eigentor. [Weltmarke/n] geben Unsummen für Imagefindung und Imagepflege aus. Auf der andere Seite reißen [Weltmarke/n] das gewonnene Image gern mit dem Hinterteil wieder ein.
    Da fragt sich der geneigte Betrachter doch welch kurzsichtigen Entscheidungträger in so manchen [Weltmarken]büro sitzt. Letztendlich ein Kampf Marketing vs. Rechtsabteilung. Letztere können die Arbeit der anderen binnen kürzester Zeit in den Boden stampfen. Ziel verfehlt – Vertrauen verloren. Liebe [Weltmarke] das müsst ihr noch mal üben, dann klappt auch wieder mit den Kunden. Pedro Salami

  17. „…bei politisch wichtigeren Themen, z.B. bei der Asylpolitik (http://der-gute-tweet.de/kmii.php) oder bei der Gleichstellung von Männern und Frauen. Die Themen, die wirklich kontrovers (!) diskutiert werden.“

    Pfeife! Das interessiert doch keinen. Im Blitzlichtgewitter der Aufmerksamkeitsökonomie kannst Du Dir Deine Themen dahin stecken, wo’s lange Belichtungszeiten braucht.
    Ausserdem gilt hier die Salamitaktik. Scheibchenweises Beschneiden der Bürgerrechte. Das richtig angegangen, dann klappt’s auch eines Tages mit die rechte für die frauen u. dem Weltfrieden.

  18. I guess you have made a few rather interesting points. Not too many people would actually think about this the way you just did. I am really impressed that there is so much about this subject that has been uncovered and you made it so nicely, with so considerably class. Outstanding one, man! Truly special things right here.

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